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Soziale Phobien: Oxytocin kann helfen

Freitag, 20. April 2018 – Autor: Anne Volkmann
Seit einiger Zeit mehren sich die Hinweise, dass das sogenannte „Kuschelhormon“ Oxytocin Angststörungen reduzieren kann. Dies haben nun Forscher der Universität Regensburg bestätigt. Demnach kann Oxytocin soziale Phobien wirksam lindern.
Angst, soziale Phobie, Oxytocin

Oxytocin kann Ängste lindern – Foto: ©rueangwit - stock.adobe.com

Oxytocin ist als sogenanntes „Kuschelhormon“ bekannt geworden. Es spielt unter anderem beim Geburtsprozess eine wichtige Rolle und stärkt sowohl die Mutter-Kind-Bindung als auch die Beziehung zwischen Partnern. Doch offenbar kann das Neuropeptin noch mehr. So wird schon seit einiger Zeit vermutet, dass das Hormon soziale Nähe schaffen, Stress abbauen sowie gegen Depressionen und soziale Phobien helfen kann. Biologen von der Universität Regensburg konnten dies nun anhand von Tierexperimenten bestätigen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher in der Zeitschrift „Current Biology“.

Soziale Phobien können zur vollständigen Isolation führen

Soziale Phobien, also Ängste vor alltäglichen sozialen Situationen, können von starken körperlichen Symptomen wie Zittern, Herzrasen, Atemnot oder Panikattacken begleitet sein. Die Patienten zeigen ein verhängnisvolles soziales Vermeidungsverhalten, was wiederum oft zur vollständigen sozialen Isolation führt. Häufig sind negative Erfahrungen an der Entwicklung sozialer Phobien beteiligt. Neben Psychotherapie kommen bisher antidepressive und angstlösende Medikamente zum therapeutischen Einsatz, die jedoch wenig spezifisch wirken und zum Teil ein hohes Abhängigkeitspotenzial besitzen.

Nun haben Forscher um Professor Inga Neumann vom Lehrstuhl für Tierphysiologie und Neurobiologie an der Universität Regensburg durch Experimente an Mäusen zeigen können, dass Oxytocin soziale Ängste dramatisch verringern kann. Zunächste wurde den Mäusen beigebracht, dass sozialer Kontakt in Form von Beschnüffeln eines Artgenossen bestraft wird, was zur vollständigen Meidung von sozialen Interaktionen führte. Wenn die Neurobiologen die Menge des von Nervenzellen des Gehirns freigesetztem Oxytocin jedoch erhöhten, überwanden die Tiere die soziale Angst und beschnüffelten den fremden Artgenossen während einer kurzen Testzeit wieder.

Oxytocin wirkt Angstkonditionierung entgegen

Doch wie kann das körpereigene Oxytocin-System aktiviert werden? Hierfür diente den Neurobiologen als Modell der weibliche Organismus während der Laktationszeit (Stillzeit), denn das Oxytocin-System ist in dieser Zeit nach der Geburt hoch aktiv: Das Hormon Oxytocin wird während des Säugens aus der Hirnanhangsdrüse in die Blutbahn freigesetzt, wo es die Milchfreisetzung aus den Milchdrüsen gewährleistet. Die Neurobiologen wissen aus früheren Studien, dass Oxytocin auch in jenen Regionen des Gehirns freigesetzt wird, die für mütterliches Verhalten wichtig sind, aber auch Angst- und Furcht-Reaktionen regulieren.

In Kooperation mit Kollegen von der Universität Heidelberg gelang den Forschern nun der Nachweis, dass säugende Tiere resistent gegen soziale Angstkonditionierung sind. Dies ist auf eine begrenzte Population von Oxytocin-Nervenzellen zurückzuführen, die Verbindungen zum limbischen System haben. „Auch das synthetische Oxytocin, das beim Menschen z. B. durch Nasenspray verabreicht werden kann, verringert sehr effizient soziale Angst und erhöht die soziale Motivation im Tiermodell“, so Neumann. Daher seien zahlreiche therapeutische Einsatzmöglichkeiten im Zusammenhang mit sozialen Störungen denkbar. Diese müssten jedoch noch weiter untersucht werden.

Foto: © strichfiguren.de - Fotolia.com

Hauptkategorie: Medizin
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