So anstrengend ist es, neues Verhalten zu erlernen
Gewohnheiten loszuwerden, ist schwer, und in neuen Situationen geraten wir leicht in Stress. Was dabei im Gehirn passiert, haben Magdeburger Forscher um PD Dr. Max Happel und Marina Zempeltzi aus der LIN-Arbeitsgruppe CortXplorer untersucht. Ihre Studie veröffentlichten sie im Fachmagazin „Communications Biology“.
„Gerade wenn sich bestehende Regeln ändern, wie in der jetzigen Zeit, merken wir, wie anstrengend es ist alte Verhaltensweisen abzulegen“, so Studienleiter Happel. Das haben wir alle spätestens in der Coronakrise erfahren. Die LIN-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben im Tiermodell untersucht, wie Wüstenrennmäuse erst eine einfache Aufgabe erlernen und dann durch Erschweren der Regel umlernen müssen. Das Forscherteam fand mittels räumlich hoch aufgelöster Messung von vielen tausend Nervenzellen in der Großhirnrinde heraus, dass diese während des Umlernens der Regel deutlich stärker aktiv waren.
Erhöhte Hirnaktivität
Zunächst lernten die Tiere als Reaktion auf zwei unterschiedliche Töne jeweils die Seite einer zweigeteilten Kammer zu wechseln. Nach erfolgreichem Erlernen wurde die Regel geändert. Nun signalisierte nur noch einer der beiden Töne einen Seitenwechsel, während der andere Ton, entgegen der vorherigen Regel, zum Sitzenbleiben zwang.
Zu übersetzen ist das in etwa so: Zunächst lernt man eine Straße unabhängig der Ampelfarbe zu überqueren, während in der zweiten Phase wichtig ist, ob diese auf ‚rot‘ oder ‚grün‘ steht. Zudem konnten die Forscher mittels statistischer Verfahren bereits Sekunden vor der Entscheidung der Wüstenrennmaus aus den Aktivitätsmustern der Nervenzellen vorhersagen, wie diese ausfallen würde.
Anpassung an neue Regeln erfordert höchste Anstrengung
„Wenn sich bekannte Regeln ändern, werden unsere Entscheidungen unsicher“, erläutert Marina Zempeltzi, Erstautorin der Studie. „Jetzt arbeitet unser Gehirn auf Hochtouren, um eine neue Regel zu finden, nach der wir unser zukünftiges Verhalten ausrichten können“. Eine solche Anpassung des eigenen Verhaltens ist kognitiv anstrengend und bedarf entsprechender Ressourcen. Erst wenn sich erneut eine Routine einstellt, reduziert sich die Hirnaktivität wieder.
Ob sich die neu entwickelten Ansätze der Vorhersagbarkeit von Entscheidungen aus der Hirnaktivität auf Messungen am Menschen übertragen lassen, soll nun in weiteren Studien erforscht werden. „Wir können die Hirnmuster vor einer Entscheidung mit unseren Methoden bis auf Ebene einzelner Zellpopulationen beschreiben“, so Happel. „Wir arbeiten bereits mit Kollegen daran, diese Modelle auf menschliche Hirnsignale anzuwenden.“
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