Smartphone-Nutzung bremst kindliche Entwicklung

Elektronik zwischen Faszinosum und Gesundheitsgefahr: Kinderärzte diagnostizieren bei vielen ihrer jungen Patienten gesundheitliche Folgen durch die Nutzung von Smartphones, Tablets oder Spielekonsolen – in allen Altersgruppen. – Foto: ©De Visu - stock.adobe.com
Smartphones, Tablets und Spielekonsolen sind faszinierende kleine Wunder – für Kinder mindestens so stark wie für Erwachsene. Nur: Kinder können mit dem Suchtpotenzial noch weniger umgehen als Erwachsene. Und was sie dort sehen, hören und erleben, dringt ziemlich ungefiltert in sie ein. „Das hat dramatische Folgen für die Gesundheit“, lautet das Fazit einer aktuellen Studie zu den Folgen von zu früher beziehungsweise unkontrollierter Mediennutzung bei Kindern und Jugendlichen. Die in der Studie der Krankenkasse „pronova BKK“ befragten Kinderärzte sehen bei Kindern aller Altersgruppen gesundheitliche Probleme, die sie auf die zunehmende Mediennutzung zurückführen. Der dringende Appell von Gerd Herold, Beratungsarzt bei der pronova BKK an Eltern, Erzieher und Lehrer: „Kinder beim Umgang mit eigenen Geräten begleiten."
Altersklasse 10 bis 13: Drei Viertel haben Gesundheitsprobleme
Gleich eine ganze Reihe von Krankheitssymptomen führen Kinderärzte auf übermäßigen Medienkonsum schon ab dem Kindesalter zurück. Dazu gehören laut der Befragung Übergewicht, soziale Auffälligkeiten, motorische Defizite und Lernentwicklungsstörungen. Am stärksten betroffen sind Kinder zwischen zehn und 13 Jahren. Drei Viertel der befragten Ärzte stellen fest, dass besonders Patienten dieser Altersklasse an der Schnittstelle zwischen Kindheit und Jugend gesundheitliche Probleme wie Übergewicht oder Lernschwierigkeiten haben. „Im Alter zwischen zehn und 13 Jahren bekommen viele Kinder ihr erstes eigenes Smartphone“, sagt pronova-BKK-Beratungsarzt Herold. „Die Folgen zeigen sich in den Kinderarztpraxen.“ Die Studie geht davon aus, dass die registrierten gesundheitlichen Probleme erst der Anfang einer Negativ-Entwicklung sind und in den kommenden Jahren weiter an Brisanz gewinnen werden.
Elektronik und Gesundheit: Was Ärzte registrieren
- 79 Prozent der befragten Ärzte haben in den vergangenen fünf Jahren verstärkt soziale Auffälligkeiten bei ihren jungen Patienten festgestellt.
- 75 Prozent gaben an, dass immer mehr Kinder zu viel wiegen.
- 82 Prozent stellen schon heute eine soziale Isolation des Nachwuchses fest, für die sie die Mediennutzung mitverantwortlich machen.
Schon Kleinkinder leiden beim täglichen Smartphone-Kontakt
Die Schwierigkeiten beginnen aber schon viel früher und sind aus Sicht der Mediziner sogar bereits im Kleinkindalter deutlich zu erkennen: Ein Drittel der Kinderärzte diagnostiziert bei den unter Dreijährigen Defizite etwa in der motorischen Entwicklung, weil auch diese Altersgruppe schon Smartphones und Tablets in die Hände bekommt. 95 Prozent der Pädiater sind sich einig: Kinder, die in Folge der Mediennutzung beeinträchtigt sind, werden immer jünger. „Unkontrollierter Medienkonsum von Kleinkindern kann ihrer Entwicklung in vielerlei Hinsicht schaden: Diese Kinder bewegen sich meist zu wenig, sind in ihrer Sprachentwicklung gehemmt und ihre Kreativität kann sich nicht entfalten", sagt Stella Beck, Gesundheitspädagogin bei der pronova BKK. Rund zwei Drittel der Ärzte sehen auch die Gesundheit von Kindergarten- und Grundschulkindern im Alter zwischen drei und neun Jahren dadurch belastet.
Teenager verkraften Medienkonsum noch am besten
Besser als Kinder und Kleinkinder scheinen Teenager im Alter zwischen 14 und 17 Jahren die Nutzung von elektronischen Kommunikations- und Unterhaltungsgeräten wegzustecken. Aber auch für diese Altersgruppe erkennt noch rund die Hälfte der Kinderärzte gesundheitliche Beeinträchtigungen infolge der Smartphone-Nutzung.
Studie: Online-Befragung von 100 niedergelassenen Kinderärzten
Die Studie „Smart Aufwachsen 2019?" wurde im Oktober 2019 im Auftrag der pronova BKK im Rahmen einer Online-Befragung durchgeführt. Bundesweit beteiligten sich rund 100 niedergelassene Kinderärztinnen und -ärzte. Die Auftraggeberin der Studie, die pronova BKK, ist ein Zusammenschluss der Betriebskrankenkassen von Industriekonzernen wie BASF, Bayer, Continental und Ford, aber etwa auch der Kölner Mediengruppe DuMont. Bei der in Ludwigshafen ansässigen Krankenkasse sind rund 660.000 Personen versichert. Übermäßiger Medienkonsum als Ursache für zu Verhaltens- und Konzentrationsstörungen bei Kindern: Auf dieses Problem wies bereits die offiziell in Auftrag gegebene BLIKK-Medienstudie der Rheinischen Fachhochschule Köln hin. Sie wurde 2017 von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vorgestellt.
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