Sinusvenenthrombosen traten mit weiteren Thrombosen in Bauch und in Beinen auf

Andreas Tiede von der MHH hat Patienten mit Sinusvenenthrombose behandelt. Der weiße Pfeil auf dem CT-Bild deutet auf thrombotische Ereignis im Gehirn einer Patientin
Inzwischen steht fest: Der Vektor-Impfstoff AstraZeneca kann eine Vakzin-induzierte thrombotische Thrombozytopenie (VITT) auslösen. In Deutschland waren 69 Fälle von Sinusvenenthrombosen aufgetreten in Zusammenhang mit einer Abnahme der Blutplättchen, zwölf Menschen sind daran gestorben.
An der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) wurden fünf Patienten behandelt, offenbar erfolgreich, wie das Klinikum meldet. Drei Patienten mit Hirnvenenthrombose seien bereits entlassen werden.
Behandlungsempfehlung in Fachzeitschrift erschienen
Nun habend die Ärzte, ihre detaillierten Erfahrungen in Diagnostik, Krankheitsverlauf und Therapie ausgewertet und der Fachwelt als „Behandlungsempfehlungen“ zur Verfügung gestellt. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Blood veröffentlicht worden. Erstautor ist Dr. Andreas Tiede, Professor für Hämostaseologie an der Klinik für Hämatologie, Hämostaseologie, Onkologie und Stammzelltransplantation.
Ursache der seltenen Nebenwirkung ist eine fehlgeleitete Reaktion des Immunsystems. Dabei kommt es zur Bildung von Antikörpern gegen ein körpereigenes Eiweiß der Blutplättchen, den Plättchenfaktor 4 (PF4). „Bei allen betroffenen Patientinnen mit VITT haben wir PF4 Antikörper nachgewiesen“, sagt Klinikdirektor Professor Dr. Arnold Ganser. Binden die Antikörper an PF4, können die Blutplättchen aktiviert werden, wie es auch bei einer Wundheilung der Fall wäre. Bestehe dann aber keine Blutung, können sich Gerinnsel im Blut bilden Thrombosen entstehen. Außerdem stellten die behandelnden Ärzte insgesamt eine Abnahme der Blutplättchen (Thrombozytopenie) fest, sowie Gefäßverschlüsse. Diese Thrombosen betrafen jedoch nicht nur die Hirnvenen, sondern auch die Venen der Bauchorgane und die Arterien in Gehirn und Beinen, berichten die Ärzte.
Blutverdünner Teil der Therapie
Die Patientinnen mussten je nach Schweregrad der Erkrankung unterschiedlich behandelt werden – mit Blutverdünnern zur Verhinderung der Thromboseausbreitung aber auch mit Kortison und weiteren Medikamenten. Bei allen war die Therapie erfolgreich, drei sind inzwischen wieder zu Hause. „Für die Patientinnen war es lebensrettend, dass wir einerseits genug hochspezialisierte Intensivbetten vorhalten und andererseits eine Klinik der Maximalversorgung sind, an der Spezialisten verschiedenster Fachdisziplinen 24 h am Tag 7 Tage in der Woche zusammenarbeiten“, betont MHH-Präsident Professor Dr. Michael Manns. Nur die fachübergreifende Zusammenarbeit von Kolleginnen und Kollegen verschiedener medizinischer Abteilungen habe es ermöglicht, innerhalb weniger Tage eine neuartige Erkrankung zu erfassen und effektiv zu behandeln.
Schnelles Handeln war lebensrettend
„Die Komplikation VITT ist zum Glück sehr selten“, sagt Professor Tiede. Entscheidend für eine Heilung seien eine frühe Diagnose und Behandlung. Kopfschmerzen und leichtes Fieber ein bis zwei Tage nach der Impfung seien jedoch normale Anzeichen einer Immunreaktion und kein Grund zur Sorge. Wer aber nach mehr als vier Tagen noch starke Beschwerden habe, sollte umgehend den Hausarzt oder die Hausärztin aufsuchen. Ein dort angefertigtes Blutbild gibt Aufschluss über mögliche Anzeichen einer VITT. „In diesem Fall muss der Patient sofort die Notaufnahme eines Krankenhauses aufsuchen“, rät der Mediziner. Die jetzt veröffentlichte Publikation gebe den behandelnden Kliniken wiederum genaue Hinweise, welche Behandlung dann sinnvoll sei.