Sind abgelaufene Tabletten schädlich?

Abgelaufen: Bis zum Verfallsdatum eines Medikaments garantiert der Hersteller dessen Wirkung und haftet für Nebenwirkungen. Danach geschieht die Einnahme auf eigenes Risiko. – Foto: Gesundheitsstadt Berlin/Adalbert Zehnder
Das Mindesthaltbarkeitsdatum bei Milch, Wurst, Haferflocken oder Fischdosen gibt den Zeitpunkt an, bis zu dem ein Lebensmittel unter angemessenen Aufbewahrungsbedingungen seine spezifischen Eigenschaften wie Geruch, Farbe und Geschmack behält. Ob man es danach noch konsumieren kann oder will – dafür genügen ein Riech- oder Schmecktest oder die Erfahrung als Hausfrau oder Hausmann. Schon bei vergleichsweise harmlosen Medikamenten wie Kopfschmerztabletten oder Hustensaft funktioniert das nicht – und bei Arzneistoffen mit starker Wirkung (oder Nebenwirkungen) wie Schilddrüsenhormonen oder Antidepressiva klingt das nach Risiko.
Aufdruck auf Arzneiverpackungen: „Verwendbar bis: ..."
„Verwendbar bis: ...": Bei Arzneimitteln befindet sich sicherheitshalber auf allen Ebenen der Verpackung ein Datum: Aufgedruckt auf der Umverpackung aus Karton, den Etiketten der Hauptverpackung wie Glasfläschchen oder Plastikdöschen und eingeprägt in Tablettenblistern aus Kunststoff. „Ist dieses Verfallsdatum überschritten, sollte das Medikament nicht mehr verwendet werden“, rät die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Zu lange gelagerte Arzneimittel könnten unbrauchbar werden, ohne dass dies äußerlich erkennbar sei.
Apotheker: „Das Verfalldatum ist nicht verhandelbar“
„Das Verfalldatum ist nicht verhandelbar“, macht Hannes Müller vom Geschäftsführenden Vorstand der Bundesapothekerkammer klar. „Es ist im Gegensatz zum Mindesthaltbarkeitsdatum bei Lebensmitteln mehr als eine Empfehlung.“ Bei zu lange gelagerten Arzneimitteln sei in aller Regel äußerlich nicht erkennbar, ob sie noch wirksam, sicher und unbedenklich seien, sagt der Apotheker. „Deshalb rate ich eindringlich davon ab, Arzneimittel nach dem Ablauf des Verfalldatums noch anzuwenden.“
Pharmakritiker: „Abgelaufene Arzneien weitgehend gefahrlos“
Das „Verfallsdatum“: Was ist der Unterschied zum „Mindesthaltbarkeitsdatum“? Während die Datumsangabe bei Lebensmitteln angibt, wann sie möglicherweise verderblich sein könnten, besagt sie bei Medikamenten, wie lange ein Hersteller zu garantieren bereit ist, dass sein Mittel auch noch 100-prozentig wirksam ist. Dank moderner Produktionsverfahren würden Arzneimittel heute derart sauber hergestellt und verpackt, dass sie deutlich länger stabil blieben als früher, sagt deshalb etwa der Bremer Pharmaprofessor Gerd Glaeske gegenüber dem Verbraucherportal „beobachter.ch“. Abgelaufene Medikamente seien aus diesem Grund heute weitgehend gefahrlos. „Erst wenn Tabletten zu bröseln beginnen und der Tablettenrand nicht mehr scharf ist, wenn bei Dragees die Oberfläche gerissen ist und bei Flüssigkeiten sich vielleicht etwas absetzt, sollte man zurückhaltend sein.“
Verfallsdatum: Hersteller-Haftung für Nebenwirkungen endet
Trotzdem sollen sich Verbraucher im Klaren darüber sein, dass das Haltbarkeitsdatum vor allem aus versicherungsrechtlichen Gründen von Bedeutung ist. Arzneimittelhersteller tragen bis zum Zeitpunkt des Verfallsdatums die Verantwortung für Wirksamkeit und Verträglichkeit eines Präparats und sind somit auch haftbar bei möglichen Nebenwirkungen. „Insofern sollte man den Verbrauchern raten, das Verfallsdatum zu berücksichtigen“, sagt Pharmaprofessor Glaeske. Konsumiere man das Arzneimittel darüber hinaus, geschehe dies auf eigenes Risiko.
Einmal im Jahr Hausapotheke überprüfen
Um auf Nummer sicher zu gehen, empfiehlt der Apothekerverband ABDA, der Bestand an Medikamenten im eigenen Zuhause mindestens einmal pro Jahr auf seine Aktualität hin zu überprüfen. „Dabei geht es in erster Linie darum, abgelaufene, unbrauchbare oder nicht mehr benötigte Arzneimittel auszusortieren und gleichzeitig zu überprüfen“, sagt Apotheker Müller.
So entsorgt man abgelaufene Medikamente richtig
Nicht mehr benötigte Arzneimittel können laut ABDA in der Regel mit dem Hausmüll entsorgt werden, wenn dieser kindersicher aufbewahrt wird. In den meisten Kommunen wird der Restmüll verbrannt; Alt-Arzneimittel werden damit sicher vernichtet. Auf keinen Fall sollte man Arzneimittelreste ins Waschbecken oder die Toilette kippen. Umfragen belegen, dass fast jeder zweite Deutsche Medikamente auf diese Weise entsorgt.
Gefahr für Wasserlebewesen: Medikamente nie ins Abwasser
„Viele Medikamente sind oft gar nicht oder nur sehr langsam biologisch abbaubar“, heißt es in einer Verbraucherinformation des Zweckverbands Zentralkläranlage Ingolstadt. Neben den menschlichen Ausscheidungen nach der Einnahme von Medikamenten spielt demnach die unsachgemäße Entsorgung die wichtigste Rolle bei der Abwasserbelastung. Selbst technisch hervorragend ausgestattete Kläranlagen seien nicht in der Lage, alle Inhaltsstoffe von Medikamenten aus dem Abwasser herauszufiltern. Medikamentenrückstände im Abwasser gelten als wenig gefährlich für den Menschen – für Wasserlebewesen aber als umso schädlicher. Auch flüssige Arzneimittel wie Hustensaft sollten deshalb in den Restmüll.