Sichelzellenanämie bei Kindern: Frühe Diagnose erhöht Lebenserwartung

Neugeborenen-Screening auf Sichelzellenanämie: Betroffene Kinder werden früher erkannt
Die Sichelzellkrankheit - auch Sichelzellenanämie - genannt ist eine erbliche Erkrankung des Blutes, die zur Blutarmut führt. Insbesondere für kleine Kinder kann die Erkrankung lebensbedrohlich sein, weil sie sehr anfällig für Infektionen sind.
Ob ein Test von Neugeborenen in Deutschland auf die Sichelzellkrankheit sinnvoll wäre, das untersucht gerade das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA).
Nach einer vorläufigen Auswertung der Studienlage sieht das Institut einen Anhaltspunkt für einen Nutzen. Im Vergleich zu keinem Screening könne ein solches Neugeborenen-Screening Todesfälle unter den betroffenen Kindern vermeiden, teilte das IQWIG vergangene Woche mit.
Studie aus Jamaika
Grundlage für die Nutzenbewertung ist eine retrospektive vergleichende Screeningstudie aus Jamaika. Auf der Karibikinsel wurden zwischen 1995 und 2007 insgesamt 150.803 Neugeborene auf Sichelzellenanämie gescreent und bei positivem Befund frühzeitig behandelt.
Die Intervention umfasste eine Penizillin-Prophylaxe, eine regelmäßige Untersuchung der kranken Kinder sowie eine umfassende Aufklärung der Eltern einschließlich Schulung, so dass sie bei ihren Kindern Veränderungen der Milz ertasten können. Bei der Sichelzellenanämie zerfallen die Sichelzellen und bleiben zudem in den Gefäßen vieler Organe hängen. Besonders häufig verstopfen sie die Gefäße der Milz, die dann ihre Abwehrfunktion gegen Erreger nicht mehr gut ausüben kann. Darum kommt es oft zu lebensbedrohlichen Infektionen.
Im Rahmen des Screening wurden 435 Neugeborene mit einer Sichelzellenanämie entdeckt, 395 davon waren anschließend Teil des beschriebenen Interventionsprogramms. Die Entwicklung dieser 395 Kinder verglichen die jamaikanischen Wissenschaftler mit der Entwicklung von 105 Kindern, bei denen die Ärzte zwischen 1973 und 1981 ebenfalls auf Jamaika und ebenfalls per Screening unmittelbar nach der Geburt eine Sichelzellenkrankheit diagnostiziert hatten. Allerdings wurden diese Kinder mangels damaliger Behandlungsmöglichkeiten in den ersten Lebensjahren nicht behandelt.
Weniger Todesfälle nach Screening
Die Studie zeigt, dass die Sterblichkeit um den Faktor 10 sinkt, wenn die Krankheit früh diagnostiziert wird und die Kinder früh behandelt werden. So verstarben bis zum ersten Lebensjahr nur 0,01 Prozent der behandelten Kinder, in der Gruppe der unbehandelten Kinder waren es dagegen 0,1 Prozent. Der gleiche Überlebensvorteil findet sich in den Auswertungen bis zum fünften Lebensjahr.
Aufgrund dieser Studienergebnisse sieht das IQWiG einen Anhaltspunkt für einen Nutzen des Neugeborenen-Screenings auf die Sichelzellkrankheit in Kombination mit weiteren Interventionsmaßnahmen.
Penizillin-Prophylaxe nur im Off-Label-Use
Leitlinien in Deutschland empfehlen bei betroffenen Kindern ab dem dritten Lebensmonat eine Pneumokokken-Impfung und eine Penizillin-Prophylaxe, die in der Screeningstudie auch untersucht wurde. Allerdings ist diese Behandlung in Deutschland momentan nicht zugelassen und nur im Off-Label-Use möglich.
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