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Sepsis hat oft gravierende Spätfolgen

Montag, 13. Dezember 2021 – Autor:
Sepsis hat oft gravierende Spätfolgen: Drei von vier Überlebenden sind noch Jahre danach von Gedächtnisstörungen, seelischen oder körperlichen Erkrankungen betroffen.
Eine Sepsis führt oft noch Jahre danach zu Behandlungs- und Pflegebedarf

– Foto: Adobe Stock/Zerbor

Sepsis hat oft gravierende Spätfolgen: Drei von vier Überlebenden sind noch Jahre danach von Gedächtnisstörungen, seelischen oder körperlichen Erkrankungen betroffen. Sogar in der Gruppe der vormals unter 40-Jährigen leidet mehr als die Hälfte daran.

Das sind Ergebnisse einer im Fachjournal Jama Network Open erschienenen Studie. Dafür untersuchten Forscher der Charité - Universitätsmedizin Berlin, des Universitätsklinikums Jena und des Wissenschaftlichen Instituts der AOK Häufigkeit und Kosten der gesundheitlichen Folgen einer Sepsiserkrankung.

Überschießende Immunreaktion ist lebensbedrohlich

Als Sepsis definiert die Medizin eine gefährliche Organfehlfunktion, die durch die überschießende Immunreaktion auf eine Infektion verursacht wird. Dieser lebensbedrohliche Zustand tritt ein, wenn die Antwort des Körpers auf eine Infektion die eigenen Gewebe so schädigt, dass Organe wie Niere oder Leber nicht mehr arbeiten.

Weltweit ist Sepsis die führende infektionsbedingte Todesursache. In Deutschland werden jedes Jahr 320.000 Fälle im Krankenhaus behandelt, die Sterblichkeit liegt bei etwa 25 Prozent und ist damit alarmierend hoch. Auch die Mehrzahl der Behandelten mit schwerem Covid-19-Verlauf weisen aktuellen Untersuchungen zufolge eine Sepsis auf.

Diagnosen drei Jahre nach der Sepsis erfasst

Für die Auswertung konnte das Studienteam auf die anonymisierten Gesundheitsdaten von mehr als 23 Millionen Versicherten der AOK der Jahre 2009 bis 2017 zurückgreifen, die gut für die deutsche Gesamtbevölkerung stehen können. Das Team identifizierte 59.684 Versicherte im Alter von über 15 Jahren, die in den Jahren 2013 oder 2014 wegen einer Sepsis auf einer Normal- oder Intensivstation im Krankenhaus behandelt wurden.

Für diese wurden sowohl die Vorerkrankungen erfasst als auch Diagnosen, die in den drei Jahren nach der Sepsis neu auftraten, und der daraus resultierende Behandlungs- und Pflegebedarf.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fatigue, Depression

"Dabei suchten wir nach neuen körperlichen, psychischen und kognitiven Einschränkungen, wie sie bekanntermaßen als Folge einer Sepsis auftreten können - etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, kognitive oder motorische Störungen, das Erschöpfungssyndrom Fatigue oder Depressionen", sagte Projektleiterin Dr. Carolin Fleischmann-Struzek vom Uniklinikum Jena in einer Pressemitteilung.

Allein im ersten Jahr nach der Entlassung kam bei drei Viertel der Sepsis-Überlebenden eine neue Diagnose hinzu, mehr als 30 Prozent verstarben noch im ersten Jahr. Sogar in der Gruppe der unter 40-Jährigen stellten sich bei mehr als 56 Prozent im ersten Jahr nach der Krankheit Folgeerkrankungen ein.

Sepsis auch bei Covid-19-Patienten

Prof. Christiane Hartog, Versorgungsforscherin an der Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin der Charité und Seniorautorin der Studie, unterstreicht: "Erstaunlicherweise macht es dabei nur einen geringen Unterschied, ob die Sepsis weniger schwer verlief oder sie auf der Intensivstation behandelt werden musste. Insbesondere mit Blick auf das Infektionsfolgesyndrom nach Covid-19 ist dies von großer Relevanz."

Das Studienteam analysierte auch die Kosten, die bei den Überlebenden für stationäre und ambulante Behandlungen, Rehabilitation, Heilmittel und Medikamente anfallen. Auf 29.000 Euro beziffert es die Behandlungskosten pro Fall in den ersten drei Jahren nach der Erkrankung. Darin sind Notfall- und Transportkosten, Hilfsmittel, Pflegekosten und indirekte Kosten wie Arbeitsausfall nicht enthalten.

Sepsis hat oft gravierende Spätfolgen

Dass die Sepsis oft gravierende Spätfolgen hat, erkennt man auch daran: Mehr als 30 Prozent der Sepsis-Überlebenden waren im Jahr nach der Krankenhausentlassung neu pflegebedürftig, nach einem schweren Verlauf mussten mehr als 13 Prozent neu in einem Pflegeheim betreut werden. Das Autorenteam konstatiert in seiner Studie auch, dass es kaum angepasste Nachsorgemaßnahmen gibt. Nur 5 Prozent der Sepsis-Überlebenden werden in eine Rehabilitationseinrichtung entlassen.

"Die Sepsis hat massive und langjährige Folgen - sowohl für Überlebende und ihre Angehörigen als auch für das Gesundheitssystem. Deshalb bedarf es spezifischer Nachsorgekonzepte", betont Dr. Fleischmann-Struzek.

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