Schwerer Fall: Therapien gegen Übergewicht bei Kindern sind oft wirkungslos

Vorsicht vor zu viel Diäten bei Kindern - mahnt ein Experte – Foto: kwanchaichaiudom - Fotolia
Das vom Bundesforschungsministerium geförderte Kompetenznetz Adipositas hat in einer Untersuchung aktuelle Forschungsbefunde rund um Behandlungsmethoden für Kinder und Jugendliche mit Adipositas zusammengefasst. Die qualitative Analyse von 48 Studien zur Wirksamkeit von Lebensstilprogrammen bei Kindern und Jugendlichen mit Adipositas kommt zu dem Ergebnis, dass eine Gewichtsnormalisierung von Kindern und Jugendlichen mit Adipositas nur sehr beschränkt bis gar nicht erreicht werden konnte.
Studien: Normalgewicht wird nur sehr selten erreicht
Die untersuchten Therapien waren auf einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren angelegt. Die beobachteten Gewichtsveränderungen nach zwölf Monaten fielen nicht ins Gewicht. Die meisten Kinder und Jugendlichen mit starkem Übergewicht, die an solchen Gewichtsreduktionsprogrammen teilnehmen, würden zwar einige Kilogramm verlieren, diese Gewichtsabnahme reiche aber in aller Regel nicht aus, um das so genannte Normalgewicht zu erreichen, so der Initiator der Untersuchung, Professor Johannes Hebebrand. Ein 15-jähriges Mädchen mit einem Ausgangsgewicht von 102 Kilo und einer Körpergröße von 1,70 Meter würde den Forschungsergebnissen zufolge innerhalb eines Jahres in Therapie bei einem Wachstum um einen Zentimeter bestenfalls 6,8 Kilo abnehmen. Ein achtjähriger Junge mit einem Ausgangsgewicht von 40 kg bei einer Körpergröße von 130 cm würde im besten Fall nur 2,6 kg zunehmen und dabei um 6,4 cm wachsen. Die Forscher des bundesweiten Kompetenznetzes untersuchten auch die Abbruchraten. Nach ihren Angaben haben bei zwei Dritteln der Programme mindestens zehn Prozent der Teilnehmer die Behandlung frühzeitig abgebrochen. Bei 22 Prozent der Studien brach mindestens jeder vierte Teilnehmer ab (25%).
Experte warnt vor Diätwahn bei Kindern und Jugendlichen
Mit Blick auf diese Ergebnisse mahnt Hebebrand zu Zurückhaltung bei Diäten und Gewichtsreduktionsprogrammen. „Wichtig ist es, erst einmal kritisch den Aufwand und Nutzen lebensstilbasierter Behandlungsmethoden gegenüber zu stellen und dann gemeinsam mit den betroffenen Familien zu überlegen, ob ein solches Programm in der jeweiligen Lebenssituation des Kindes beziehungsweise des Jugendlichen in Frage kommt“, sagt der Kinder- und Jugendpsychiater. Behandlungssuchende Familien müssten zudem über die begrenzte Wirksamkeit sowie potenzielle Nebenwirkungen der gängigen Gewichtsreduktionsbehandlungen aufgeklärt werden, fordert er. Denn misslungene Gewichtsabnahme-Versuche würden oft als persönliches Versagen gedeutet. Hebebrand hält weitere Untersuchungen für nötig, um Erfolgsfaktoren für dauerhafte Lebensstiländerungen zu identifizieren.
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