Schutzschirm für Kranke
Dass sich die Kranken in einer Klinik sicher fühlen sollten, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Wo, wenn nicht hier? Doch so selbstverständlich ist Patientensicherheit nicht. Immer wieder schrecken Nachrichten von falsch amputierten Gliedmaßen, von um sich greifenden Infektionen in der Klinik oder im Körper eines Operierten zurückgelassenen OP-Utensilien die Öffentlichkeit. Krankenhäuser sind komplizierte Gebilde, in denen es nicht immer rundläuft.
Die Krankenversorgung sicherer zu machen, diesem Ziel hat sich das im April 2005 gegründete Aktionsbündnis Patientensicherheit verschrieben. In ihm haben sich Kliniken, Krankenkassen, medizinische Fachgesellschaften, Patientenorganisationen, Unternehmen und weitere Organisationen und Einzelpersonen zusammengeschlossen. Deren Vorsitzende Hedwig Francois-Kettner wurde am Donnerstagabend mit dem Deutschen Qualitätspreis Gesundheit 2015 ausgezeichnet, den Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin jährlich gemeinsam vergeben. Die Preisübergabe fand im Rahmen des zweitägigen Nationalen Qualitätskongresses Gesundheit statt.
Hedwig Francois-Kettner erhält den Preis, weil sie sich seit Jahrzehnten für eine bessere Versorgung Kranker einsetzt – sowohl in ihrer Zeit als Pflegedirektorin der Charité als auch seit 2011 als Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit. Das sieht auch Mario Czaja, der Gesundheitssenator des Landes Berlin, ähnlich. Czaja hielt die Laudatio für die Preisträgerin. In seiner Funktion als Senator danke er für die vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit für die Stärkung der Pflege, für Beratung in Anliegen der Gesundheitsversorgung und dem Ausbau von mehr Patientensicherheit in Deutschland, sagte er.
„Patientensicherheit heißt Analyse und Vermeidung von Fehlern.“
„Die Entwicklungen zu mehr Patientensicherheit zeigen sich in einem stetigen Mitgliederzuwachs“, sagte der Senator. Und auch in den Ergebnissen des vom Aktionsbündnis geförderten einzigen Lehrstuhls für Patientensicherheit in Deutschland an der medizinischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms Universität Bonn. „Kennzeichen von Patientensicherheit sei das Erkennen, die Analyse und die Vermeidung von Fehlern in der Gesundheitsversorgung.“ Unter dem Vorsitz von Hedwig Francois-Kettner gelinge es zunehmend, schwierige Themen zu benennen, sie konstruktiv zu bearbeiten und Lösungen zuzuführen.
Ein wichtiges Aktionsfeld des Aktionsbündnisses ist die Vermeidung von Infektionen im Krankenhaus. Die „Aktion Saubere Hände“ ist eine der bekanntesten Initiativen, die das Bündnis gemeinsam mit anderen im Jahr 2008 in Deutschland ins Leben rief – auf Basis einer 2005 von der Weltgesundheitsorganisation begründeten weltweiten Initiative. Jedes Jahr im Mai gibt es seitdem den „Aktionstag Saubere Hände“. Das Aktionsbündnis will damit auf ein Problem hinweisen, das in den Krankenhäusern zu einem immer größeren Risikofaktor wird: gefährliche Mikroben, die auf Klinikfluren, Instrumenten und eben auf den Händen von Ärzten und Pflegepersonal zu einer tödlichen Gefahr für die Patienten werden.
Und es will zeigen, wie man die Gefahr bekämpfen kann: am wirkungsvollsten mit regelmäßig desinfizierten Händen nämlich. Ein richtiges Event ist dieser Aktionstag in manchen Häusern. UV-Lampen machen sichtbar, wie viele Flecken einer Hand bei falschem Einsatz des Desinfektionsmittels unbenetzt bleiben und so gefährliche Verstecke für Erreger auf der Haut von Besuchern und Personal bieten – für einige ein Schockeffekt, und für die meisten am nächsten Tag vergessen. Die Botschaft muss deshalb ständig wiederholt werden. Es geht um das Einstudieren von Automatismen: „Hände desinfizieren! Vor jedem Patientenkontakt.“
Text: Ingo Bach (der Artikel ist am 04.12.2015 im Tagesspiegel erschienen)
Foto: Gesundheitsstadt Berlin