Schutzfaktor für Psycho-Trauma entdeckt

Opfer von Unfällen und Gewalt, aber auch Rettungskräfte, Augenzeugen oder Soldaten können nach Extrem-Ereignissen psychische Traumen davontragen. – Foto: ©Michael Stifter - stock.adobe.com
Es gibt Erlebnisse im Leben, die sich tief in die Seele einbrennen und die einen noch lange Zeit begleiten und quälen können: Weil man als Opfer, Augenzeuge oder Rettungskraft unerträgliche Szenen erlebt hat – bei Auto-, Arbeits- oder Freizeitunfällen oder vielleicht bei einem Wohnungsbrand. Weil man als Frau vergewaltigt oder als Kind einmal oder über längere Zeit sexuell missbraucht worden ist. Weil man als Bundeswehrsoldat im Ausland Kriegsgreuel hat aushalten müssen oder Todesangst. Weil man als politischer Häftling im Stasi-Gefängnis gedemütigt worden ist. Weil man Flucht oder Vertreibung und Entwurzelung erlebt hat. Oder weil man Katastrophen wie Flugzeugabstürze oder Massenkarambolagen überlebt hat. Solche traumatischen Erlebnisse können selbst Jahre danach noch Alpträume machen – und krank: in Form der „Posttraumatischen Belastungsstörung“ (PTBS).
Gen vermindert das Risiko, an einer PTBS zu erkranken
Extreme Gefühle von Angst, Schutz- und Hilflosigkeit sowie Ausgeliefertsein und die subjektive Unmöglichkeit, die Situation zu bewältigen, können Selbstbewusstsein und Weltverständnis derart erschüttern, dass sie eine psychische Störung auslösen. Ein Drittel der Flüchtlinge beispielsweise, die derzeit auf der Welt umherirren, gelten einem offiziellen Bericht zufolge als PTBS-gefährdet. Wissenschaftler der Universität Basel in der Schweiz haben sich jetzt in einer Studie mit solchen psychischen Traumatisierungen befasst. Dabei haben sie eine Art körpereigenen Schutzfaktor für den Fall tiefer seelischer Verletzungen entdeckt. „Die körpereigene Regulation eines bestimmten Gens geht mit einem verminderten Risiko einher, nach einem schrecklichen Erlebnis an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu erkranken“, heißt es in einer Erklärung der Baseler Universität.
Testpersonen: 813 Überlebende von Bürgerkrieg und Völkermord
Bei der Regulation dieser Gedächtnisprozesse im Gehirn spielt das Stresshormon Cortisol eine wichtige Rolle. In der aktuellen Arbeit warfen die Forschenden um den Neurowissenschaftler Dominique de Quervain einen genaueren Blick auf die Gene, welche an der Signalübertragung von Cortisol beteiligt sind. Sie bestimmten, wie stark diese Gene chemisch, durch sogenannte Methylgruppen am Erbgutmolekül DNA, reguliert werden. Vanja Vucojevic, einer der Erstautoren der Studie, untersuchte diese DNA-Methylierung bei zwei Gruppen von Trauma-Betroffenen, nämlich 463 Überlebenden des Bürgerkriegs in Uganda und 350 Überlebenden des Völkermords in Ruanda. In beiden Gruppen hatten jene Personen, die eine stärkere Regulation des Gens NTRK2 aufwiesen, ein geringeres Risiko, an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu erkranken.
NTRK2: Horror-Erlebnisse graben sich weniger stark ins Gedächtnis ein
„Die Ergebnisse legen nahe, dass eine vermehrte Regulation des NTRK2-Gens die Gedächtnisbildung vermindert“, heißt es bei der Universität Basel weiter. „Dadurch graben sich schreckliche Erlebnisse weniger stark ins Gedächtnis ein und damit sinkt das Risiko, an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu erkranken.“ Die Forschenden hoffen, dass der entdeckte Mechanismus zur Entwicklung neuer Therapien beiträgt. Diese könnten auch bei einer bereits bestehenden posttraumatischen Belastungsstörung nützlich sein, indem sie verhindern, dass die wiederkehrenden schrecklichen Erinnerungen das traumatische Gedächtnis weiter zementieren. Das ist auch deshalb interessant, weil Traumen an die Generation der Kinder weitergegeben werden können.
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