Schützt grüner Tee doch nicht vor Neurodegeneration?

Die Teesubstanz Epigallocatechingallat (EGCG) soll positive Wirkungen auf unsere Gesundheit haben
Grünem Tee werden allerlei heilsame Wirkungen nachgesagt. Unter anderem soll er auch neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson oder Multiple Sklerose entgegenwirken können. Zahlreiche Studien beschäftigen sich daher zurzeit mit der Wirkung der Teesubstanz Epigallocatechingallat (EGCG) auf neurologische Erkrankungen, aber auch auf Krebs, Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Nun hat eine aktuelle Studie den Hoffnungen zumindest teilweise einen Dämpfer verpasst. Auf die Multisystematrophie, eine neurogenerative Erkrankung aus dem Parkinsonspektrum, zeigte eine Hochdosistherapie mit EGCG keine Wirkung. Die Studie wurde in „Lancet Neurology“ veröffentlicht.
Extrakt aus grünem Tee konnte Neurodegeneration nicht stoppen
Wie die Deutsche Gesellschaft für Neurologie mitteilte, zeigte sich, dass ECGC auch aufgrund von schweren Nebenwirkungen durch höhere Dosierungen bei Patienten mit Multisystematrophie (MSA) keine ausreichende klinische Wirkung hervorrief. Da sich jedoch eine signifikante Reduktion der Atrophie beteiligter Hirnregionen im MRT zeigte, sieht Studienautor Prof. Günter Höglinger das Therapieprinzip bestätigt. Nun sollen Studien mit verträglicheren Substanzen folgen. Die MSA kann als Modellerkrankung für Synucleinopathien angesehen werden, zu denen auch Parkinson zählt.
Bei Tierversuchen und In-vitro-Studien hatte die Substanz aus dem grünen Tee bei ähnlichen Erkrankungen positive Wirkungen gezeigt. So konnte sie erfolgreich die Aggregation des Proteins Alpha-Synuclein verhindern, welchen bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Parkinson eine Rolle spielt. Doch offenbar lassen sich diese Ergebnisse nicht auf den Menschen übertragen.
EGCG überwindet nur in geringem Maß die Bluthirnschranke
Die Forscher um Dr. Johannes Levin vom Zentrum für Neuropathologie und Prionforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München hatten sich Patienten mit MSA ausgesucht, weil bei ihnen die Alpha-Synuclein-assoziierte Neurodegeneration besonders schnell voranschreitet. An der Studie PROMESA nahmen zwölf deutsche Zentren mit 92 MSA-Patienten teil. 47 von ihnen erhielten über knapp ein Jahr hinweg die EGCG-Behandlung, 45 Placebo. Die EGCG-Dosis wurde innerhalb von zwei Monaten auf 1200 mg pro Tag aufdosiert. So viel ist in rund 50 Tassen grünem Tee enthalten, erläutert Levin. Es wird angenommen, dass etwa drei Prozent des Wirkstoffs die Bluthirnschranke überwinden können.
Wirkmechanismus theoretisch erfolgversprechend
Die Ergebnisse: EGCG konnte keine signifikante Wirkung bei MSA hervorrufen. Hinzu kommt, dass der Grüntee-Extrakt in den eingesetzten hohen Dosen bei manchen Patienten zu einer deutlichen Leberschädigung geführt hat. Trotz der negativen klinischen Ergebnisse zeigte sich jedoch bei einer kleinen Teilgruppe im MRT eine signifikante Reduktion der Atrophie.
Wie Studienautor Professor Dr. Günter Höglinger vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE) an der Technischen Universität München zusammenfasst, erlauben die Daten der PROMESA-Studie trotz des formal negativen Studienergebnisses interessante Beobachtungen aus Subgruppen- und Biomarker-Analysen. „Diese Daten deuten darauf hin, dass der Wirkmechanismus von EGCG prinzipiell erfolgsversprechend ist, wenn Oligomer-Modulatoren eingesetzt werden, die ein günstigeres Verhältnis von Wirkung zu Nebenwirkung haben und höhere Wirkspiegel im Gehirn erreichen. Solche Substanzen gibt es bereits.“ Und Levin bekräftigt: „Wir hoffen, 2020/2021 eine entsprechende Studie mit anle138b bei MSA beginnen zu können.“
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