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Schmerzmittel vor dem Sport tabu

Dienstag, 29. Oktober 2019 – Autor:
Nicht wenige Läufer nehmen vor dem Marathon Schmerzmittel ein. Doch Schmerzmittel vor dem Sport sind nach nach Ansicht von Experten tabu. Die Substanzen schädigen unter anderen die Blutgefäße.
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Wer vor dem Sport Schmerzmittel einnimmt, nimmt gesundheitliche Schäden in Kauf – Foto: ©pavel1964 - stock.adobe.com

Nicht wenige Läufer nehmen vor dem Marathon Schmerzmittel ein. Doch Schmerzmittel vor dem Sport sind nach Ansicht von Experten tabu. Die Substanzen schädigen unter anderen die Blutgefäße. Das meldet die Deutsche Schmerzgesellschaft.

Was ist jedoch zu tun, wenn sportliche Aktivitäten zu Schmerzen führen, die über den meist drei bis vier Tage andauernden Muskelkater hinausgehen? Es sei kaum möglich, bei regelmäßigem und körperlich forderndem Training, Schmerz zu vermeiden, erklärt Dr. Paul Nilges, ehemaliger Leitender Psychologe am DRK Schmerz-Zentrum Mainz.

Sehnen und Bänder werden belastet

"Wird die Komfortzone verlassen, was für jede Leistungssteigerung unvermeidbar ist, kommen Beschwerden ganz zwangsläufig". Der Experte aus Mainz, der selbst einige Jahrzehnte Marathon gelaufen ist, betont, wie wichtig es sei, eine persönliche Balance zwischen Belastung und Belastbarkeit zu finden.

Beim Laufen reagiere die Muskulatur dankbar auf Belastung; bei Sehnen, Bändern und Gelenken sieht das anders aus, sie brauchen deutlich länger, um sich an gesteigerte Belastung anzupassen.

Eine Überforderung dieser kann zu starken Schmerzen und Verletzungen führen, die dann beispielsweise bei einer Sprunggelenksdistorsion (Überdehnung der Bänder im Gelenk) nur durch das PECH-Schema, also "Pause, Eis, Compression und Hochlegen", behandelt werden kann.

Dehnübungen bringen nichts

Häufig wird zur Vorbeugung von Schmerz empfohlen, bei oder nach dem Sport Dehnübungen auszuführen. "Wer sich danach besser fühlt, kann das machen. Eine Evidenz dafür haben wir nicht", weiß Nilges. Mehrere Cochrane-Reviews hätten gezeigt, dass Dehnen keinen relevanten Einfluss auf das Entstehen von Schmerzen hat. Auch für Orthesen und Einlagen fänden sich keine überzeugenden Belege, so Nilges.

Anders bei Schmerzgels: Hier kamen Cochrane-Forscher zu dem Ergebnis, dass Gels durchaus helfen, wenn eine Alltagsbewegung oder eine sportliche Aktivität mit Muskelzerrung, Verstauchung und Schmerzen endet. Nach einer Woche könne der Betroffene wieder schmerzfrei aktiv werden. Der Psychologe Nilges warnt jedoch: "Nicht gleich zur Tube greifen. Bei leichten Beschwerden sollte man die Belastung reduzieren, abwarten und die Signale des Körpers kennenlernen." Also nicht präventiv nur aus Angst vor möglichen Schmerzen Schmerzgel verwenden.

Schmerzmittel vor dem Sport tabu

Diese Angst lässt auch viele Hobbyläufer zu Schmerzmitteln vor dem Wettkampf greifen. Das aber ist vor dem Sport tabu. "Aus Untersuchungen bei Marathonläufern wissen wir, dass die Hälfte von ihnen vor dem Lauf Mittel wie Diclofenac, Ibuprofen oder Azetylsalizylsäure (Aspirin) einnehmen, was gravierende Folgen haben kann", ergänzt Thomas Isenberg, Geschäftsführer der Deutschen Schmerzgesellschaft.

Schmerzen haben meist eine Warnfunktion. Wird unter dem Einfluss von Schmerzmitteln gelaufen, dann werden Gelenke und Muskeln überlastet. Die Verletzungsgefahr steigt und zudem schädigen die Substanzen die Blutgefäße, was zu Darmblutungen und Nierenversagen führen kann. "Unser Appell an Sportlerinnen und Sportler ist: Hände weg von dieser Form des Medikamentenmissbrauchs", sagt Isenberg.

Ein bisschen Schmerz darf sein

Ein bisschen Schmerz darf sein, so das Fazit von Nilges. Regelmäßiger Sport (zur Verbesserung von Ausdauer und Kraft) wirkt lebensverlängernd und schützt vor Gebrechlichkeit im Alter. Auch auf die Psyche und die „Selbstwirksamkeitsüberzeugung“, also das Wissen, auch schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können, sind die Auswirkungen positiv. "Wer körperlich aktiv ist, Sport treibt und/oder sich viel bewegt, kann mit anderen Belastungen des Lebens besser umgehen und erhöht seine Lebensqualität", weiß der Psychologe.

Foto: pavel1964/fotolia.com

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