Schmerzexperte kritisiert Cannabis-Gesetz

Nur wenige Patienten profitieren von Cannabis als Schmerzmedikament. Bei Kopfschmerzen hilft die Droge nicht
Nach der aktuellen Studienlage hilft Cannabis nur wenigen Patienten. Das neue Cannabis-Gesetz erlaubt daher den Einsatz der Droge nur in Ausnahmefällen, wenn andere Therapien nicht greifen. Die Anträge auf eine Cannabis-Medikation sind seit März jedoch sprunghaft gestiegen. Prof. Christoph Maier, Schmerzmediziner am Universitätsklinikum Bochum, hält die Entwicklung für falsch. Mithilfe der Regelungen bekämen tausende Patienten eine Droge als Medikament, obwohl sie vermutlich gesundheitlich davon nicht profitierten, sagt er im Interview mit dem AOK Magazin „Gesundheit und Gesellschaft“. „Abgesehen von wenigen Ausnahmefällen brauchen wir es nicht als Medikament“, sagt er. Cannabis habe nur einen geringen Stellenwert in der Behandlung von Schmerzen. Krankenkassen könnten die Erstattung von Cannabis-Präparten nun kaum noch ablehnen. „Aber zugleich bekommen tausende Menschen Cannabis, denen es nach heutigem Wissensstand nicht helfen wird“, so der Schmerzmediziner.
Untauglich bei akuten Schmerzen
Bei akuten Schmerzen wie Kopfschmerzen hilft Cannabis nachweislich gar nicht. Bei chronischen Schmerzen wurde in Studien dagegen eine moderate Wirkung nachgewiesen, etwa bei Rheuma, Rückenmarksverletzungen oder Multipler Sklerose. Andere Schmerzpatienten, etwa Krebspatienten oder Patienten mit Nervenschmerzen haben keinen Nutzen davon. Schmerzmediziner Maier erzählt, dass viele seiner Cannabis-Patienten die Behandlung abgebrochen hätten, auch wenig sie zunächst profitierten. Gründe seien Konzentrationsstörungen, verminderte Leistungsfähigkeit und Antriebsschwäche gewesen. „Die Nebenwirkungen sind für geistig aktive Menschen auf Dauer unangenehm“, sagt er. Andererseits seien keine schwerwiegenden Nebenwirkungen bekannt. Aber: die Gefahr der Abhängigkeit sei nicht zu unterschätzen.
"Cannabis-Gesetz war überflüssig"
Cannabis wurde bislang nie mit einem anderen Schmerzmedikament verglichen, immer nur mit Placebo. In Studien wurde es außerdem immer zusätzlich zur Schmerztherapie verabreicht, sozusagen als Add-on. Maier vermisst zudem Untersuchungen zur Langzeitwirkung. Für ihn hat sich durch das Gesetz rein gar nichts geändert. Schon vorher habe er die Patienten gezielt ausgewählt und einen Antrag bei den Kassen gestellt. „Es handelt sich um ein unnötiges und undurchdachtes Gesetz“, so Maier.
Cannabis wird auch bei chronisch entzündlichen Erkrankungen, Appetitlosigkeit, bestimmte psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen eingesetzt. Da Cannabis nicht bei allen Patienten wirkt und oft nicht vertragen wird, bleibt jeder Fall eine Einzelfallentscheidung.
Foto: Bayer Healthcare