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Schmerzen: Oxytocin verstärkt Placeboeffekt

Montag, 18. November 2013 – Autor: Anne Volkmann
Das „Treuehormon“ Oxytocin kann bei der Schmerztherapie offenbar den Effekt von Placebo-Medikamenten verstärken und damit die benötigte Menge an Schmerzmitteln reduzieren. Das haben Wissenschaftler aus Essen herausgefunden.
Oxytocin bei Schmerztherapie

Das "Treuehormon" Oxytocin vestärkt die Paarbindung.

Die Behandlung von Schmerzen wird in Deutschland immer noch vernachlässigt. Nicht nur, dass viele Patienten keinen Spezialisten aufsuchen, sondern auch die Tatsache, dass sich Ärzte oft scheuen, ausreichend starke Medikamente zu verschreiben, ist ein Problem. Nun haben Forscher aus Essen eine Möglichkeit gefunden, wie sich die Menge an eingenommenen Schmerzmitteln eventuell reduzieren lässt. Im Mittelpunkt ihrer Forschungen steht dabei das sogenannte „Treuehormon“ Oxytocin.

Oxytocin ist ein Hormon, das eine wichtige Rolle beim Geburtsprozess spielt und die Mutter-Kind-Bindung verstärkt. Als „Kuschel“- oder „Treuehormon“ wird es bezeichnet, weil es auch die Bindung zwischen den Partnern verstärken und Menschen sogar treuer machen soll. Zudem fördert es allgemein das Vertrauen und kann Ängste reduzieren. Nun haben Wissenschaftler um Professor Ulrike Bingel von der Universität Duisburg-Essen untersucht, inwieweit Oxytocin auch in der Schmerztherapie eingesetzt werden kann. Bingel forscht seit Jahren im Bereich der Schmerzen und vor allem über die Verbindung zwischen Schmerzen und kognitiven Prozessen. Die Ergebnisse ihrer aktuellen Studie haben die Forscher in der Fachzeitschrift JAMA veröffentlicht.

Oxytocin verringert Wahrnehmung von Schmerzen

Den Wissenschaftlern ist es gelungen, mit Oxytocin die Wirkung eines Placebo-Medikaments, von dem die Probanden Schmerzlinderung erwarteten, zu verstärken. Für ihre Studie behandelten die Forscher 80 Probanden zunächst mit einem Nasenspray, das entweder mit Oxytocin angereichert war oder nur aus einfacher Kochsalzlösung bestand. Anschließend applizierten die Mediziner an beiden Unterarmen der Versuchsteilnehmer Salben, die aber beide ohne Wirkung waren. Den Probanden erklärten die Ärzte allerdings, dass eine Salbe ein schmerzlinderndes Mittel beinhalte, während nur die andere Salbe unwirksam sei. Im Anschluss an die Behandlung wurden an den Unterarmen durch Hitzereize Schmerzen ausgelöst.

Wie zu erwarten war, empfanden die Teilnehmer den Schmerz an der Stelle als geringer, an der man die angeblich schmerzlindernde Salbe aufgetragen hatte. Für die Forscher war jedoch besonders interessant, dass die Verminderung bei den Menschen, die vorher mit Oxytocin behandelt wurden, deutlich stärker ausfiel als bei denjenigen, die nur ein Nasenspray mit Kochsalzlösung erhalten hatten. Durch weitere Versuche konnten die Forscher ausschließen, dass das Hormon Oxytocin selbst eine schmerzlindernde Wirkung entfaltete.

Vertrauen in den Arzt durch Oxytocin verstärkt

Da Oxytocin die Bindung zwischen Menschen sowie das Vertrauen stärken kann, vermuten die Essener Forscher, dass das Hormon auch das Vertrauen in den behandelnden Arzt vergrößern kann und auf diese Weise die schmerzlindernde Wirkung der Placebo-Salbe verstärkt. „Das Treuehormon hat möglicherweise die Glaubwürdigkeit des Arztes verstärkt“, so Bingel. Aber auch die stress- und angstlösenden Eigenschaften des Oxytocins könnten für die Wirkung verantwortlich sein.

Die Wissenschaftlerin hofft nun, dass Oxytocin in Zukunft dafür eingesetzt werden kann, die Schmerzbehandlung zu verbessern. „Placebo-Effekte sind eine erstrebenswerte Unterstützung medizinisch-therapeutischer Maßnahmen, die es zum Nutzen der Patienten zu maximieren gilt“, erklärte die Neurologin. Allerdings müssten die Ergebnisse der aktuellen Studie zunächst an einer größeren Anzahl echter Patienten bestätigt werden, die Wirkmechanismen entschlüsselt und weitere Einflussfaktoren wie das Geschlecht und das Arzt-Patienten-Verhältnis erforscht werden.

Foto: © Gina Sanders - Fotolia.com

Hauptkategorien: Gesundheitspolitik , Medizin

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