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Schlechte Ernährung: Unterschätzter Risikofaktor bei Covid-19

Samstag, 2. Mai 2020 – Autor:
Patienten mit Fehl- und Mangelernährung haben für den Verlauf einer Corona-Erkrankung schlechtere Prognosen als Gesunde. Ernährungswissenschaftler der Universität Hohenheim raten vor allem Menschen aus Risikogruppen, ihren Ernährungszustand und ihre körperliche Verfassung zu verbessern. Von dem Problem betroffen sind aber keineswegs nur Alte.
Kind mit Mama greifen ins Kühlregal im Supermarkt - mit weißen Corona-Mundschutzmasken im Gesicht.

Viele Kinder in Deutschland sind schlecht ernährt oder übergewichtig; das erhöht das Risiko für schwere Verläufe bei der COVID-19-Erkrankung – und umgekehrt. – Foto: ©famveldman - stock.adobe.com

Ein höheres Alter, Vorerkrankungen, ein schwaches Immunsystem oder Rauchen: Dies sind häufig genannte Risikofaktoren für einen möglichen schweren Verlauf bei der Corona-Erkrankung. Wissenschaftler der Universität Hohenheim weisen jetzt auf einen offenbar unterschätzten weiteren Risikofaktor hin.

„Durch COVID-19 besonders gefährdet sind Personen, die aufgrund von Alter und Vorerkrankungen zu Fehl- und Mangelernährung neigen – oder diese während der Intensivbehandlung entwickeln oder verstärken“, warnt Stephan Bischoff, Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin an der Universität Hohenheim-Stuttgart. Personen aus den bekannten Risikogruppen rät Bischoff ausdrücklich dazu, verstärkt auf ihren Ernährungszustand achten, um die Widerstandskraft ihres Körpers zu erhöhen.

Guter Ernährungszustand: Geringeres Risiko für Tod oder Folgeschäden

„Ein guter Ernährungszustand der Patienten reduziert deutlich die Wahrscheinlichkeit, einen schweren Verlauf der Erkrankung durchzumachen, bleibende Folgeschäden zu entwickeln oder gar zu versterben“, betont Ernährungsmediziner Bischoff. An seine Fachkollegen von der Medizin richtet der deshalb folgenden Appell: Prävention, Diagnose und Behandlung von Unter- und Fehlernährung sollten deshalb routinemäßig fester Bestandteil bei der Behandlung jedes COVID-19-Patienten sein.

Forscher des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) gehen in einer laufenden Studie bereits der Frage nach, ob Covid-19-Patienten durch eine gezielte medizinische Optimierung des Ernährungsstatus‘ stabilisiert und schwere Verläufe der Krankheit reduziert werden können. Konkret geht es um die Gabe von Vitamin B3 und Kieselerde.

Mangelernährung bei Kindern verbreitetes Phänomen

Der Ernährungsmediziner aus Stuttgart mahnt jedoch dazu, bei den Risikogruppen nicht nur an ältere Personen zu denken. „Fehl- und Mangelernährung sowie Übergewicht sind in unserer Gesellschaft auch bei Kindern ein durchaus präsentes Phänomen. Mit diesen Vorbelastungen steigt das Risiko für eine virale Lungenentzündung und einen lebensbedrohlichen Infektionsverlauf.“

Quarantäne: Gefahr von schlechten Ernährungsgewohnheiten

Bereits bei Patienten, die aufgrund eines COVID-19-Verdachts in Quarantäne leben müssten, könne sich der Ernährungszustand verschlechtern. „Die 14-tägige Quarantäne zu Hause fördert eine sitzende oder liegende Lebensweise, zum Beispiel vor dem Fernseher oder dem Computer“, sagt Bischoff. „In der Folge nehmen die regelmäßige körperliche Aktivität und damit der Energieverbrauch ab.“ Die der Gesundheit eigentlich dienende  Quarantäne könne aber auch zu einer Verschlechterung chronischer Erkrankungen, zu Gewichtszunahme, dem Abbau von Skelettmuskulatur sowie einer reduzierten Immunantwort führen. Dies vergrößere das Erkrankungsrisiko nichtinfizierter Personen in Quarantäne.

Anti-Corona-Ernährungsstrategie: Sich bei Experten Hilfe holen

Personen aus Risikogruppen rät der Experte aus Stuttgart zu präventiven Untersuchungen auf mögliche Ernährungsschwächen. Unterstützung für eine Anti-Corona-Ernährungsstrategie könnten sich Personen mit bekannter Fehl- und Mangelernährung oder einem Risiko dazu bei Ernährungsberatern oder -medizinern holen, sagt Bischoff. Diese könnten auch beurteilen, inwieweit eine Ergänzung der täglichen Ernährung mit Vitaminen und Mineralstoffen notwendig sei, um eine optimale Infektionsabwehr zu erreichen.

Prävention: „Nutzen von Vitaminpräparaten nicht erwiesen“

Dabei rät der Ernährungsmediziner ausdrücklich davon ab, die Wirkung von konzentrierten Vitaminpräparaten zu überschätzen. „Es ist wichtig, Mikronährstoffdefizite zu verhindern und zu behandeln“, sagt Bischoff. „Es gibt jedoch keine nachgewiesenen Beweise dafür, dass bei gut ernährten, gesunden Personen die routinemäßige Verwendung von Mikronährstoffen in hohen Dosen eine Infektion mit COVID-19 verhindern oder den Krankheitsverlauf verbessern kann.“

Covid-19: Erbrechen und Durchfall können Nahrungsaufnahme stören

Gerade der Aufenthalt auf einer Intensivstation, der durch die schweren Atemwegserkrankungen notwendig werden kann, führt Bischoff zufolge bei COVID-19-Patienten häufiger dazu, dass sich Fehl- und Mangelernährungen aufgrund der Entzündungsprozesse entwickeln oder verschärfen. Zwar befalle das Virus hauptsächlich die Atemwege, die Krankheit könne aber auch mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall einhergehen, wodurch die Nahrungsaufnahme und -verwertung zusätzlich beeinträchtigt werde.

Corona und Ernährung: Ratgeber für Ärzte

Für Ärzte hat der Stuttgarter Professor als Mitglied eines internationalen Teams von Wissenschaftlern Empfehlungen und konkrete Behandlungsvorschläge entwickelt. Ein 10-Punkte-Leitfaden wurde in der Fachzeitschrift „Clinical Nutrition“ (engl. Für Klinische Ernährung) veröffentlicht. Initiatorin der Expertenempfehlung ist die Europäische Gesellschaft für klinische Ernährung und Stoffwechsel (ESPEN).  In der nach eigenen Angaben weltgrößten Fachgesellschaft für Ernährungsmedizin ESPEN haben sich mehrere tausend medizinische Fachkräfte aus ganz Europa zusammengeschlossen.

Foto: AdobeStock/

Hauptkategorien: Medizin , Corona
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