Rheuma kann mehr Organe betreffen, als viele denken

Rheumatisch-entzündliche Erkrankungen werden oft zuerst in den Gelenken wahrgenommen. Aber Achtung: Sie halten sich nicht an Organgrenzen. – Foto: ©peterschreiber.media - stock.adobe.com
Viele Patienten können es nicht ahnen – und auch vielen behandelnden Ärzten ist es anscheinend oft nicht präsent: Rheuma kann verschiedene Organe betreffen und mehr Begleiterkrankungen nach sich ziehen, als viele denken. Zahlen des Deutschen Rheumaforschungszentrums zeigen: Rund 80 Prozent der Patienten mit klassischem Gelenksrheuma sind von mindestens einer Begleiterkrankung betroffen. Bei anderen rheumatischen Erkrankungen sind die Zahlen vergleichbar hoch.
„Das eine“ Rheuma gibt es nicht
Unter dem Begriff der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen werden sehr unterschiedliche Krankheitsbilder zusammengefasst – mit einer entscheidenden Gemeinsamkeit: Immer liegt eine Fehlsteuerung des Immunsystems vor. Hierdurch kommt es zu Angriffen auf körpereigenes Gewebe und in der Folge zu chronischen Entzündungen. „Weil Immunzellen und ihre Botenstoffe frei im Körper zirkulieren, können prinzipiell alle Körperbereiche von der Entzündung betroffen sein“, sagt Prof. Dr. Andreas Krause, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh).
„Nicht alle Begleiterkrankungen im Bewusstsein der Ärzte präsent“
Nicht alle Erkrankungen seien jedoch gleichermaßen im Bewusstsein der behandelnden Ärzte präsent, kritisiert Krause, der auch Chefarzt am Immanuel-Krankenhaus Berlin ist. Während das erhöhte Osteoporose- oder Infektionsrisiko von Rheumapatienten in der Regel berücksichtigt werde, sei das bei anderen Begleiterkrankungen oft nicht der Fall. Dabei hätten sie einen erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten, den Krankheitsverlauf und die Wirksamkeit der Medikation.
Rheuma: Begleiterkrankungen, die oft unbeachtet bleiben
- Herz-Kreislauf-Beschwerden
- Lungenerkrankungen
- Depressionen
Rheuma-Patienten: Aktiv nach Begleiterkrankungen suchen
„Es wird deutlich, dass Rheumatologen internistisch ausgebildet sein sollten, denn dies ist die notwendige Basis, um bei der Therapie die Begleiterkrankungen mitberücksichtigen zu können“, sagt Krause. „Dazu gehört auch, dass aktiv nach ihnen gesucht wird, denn nur dann lässt sich frühzeitig gegensteuern.“
Lungenschäden: Häufig Ursache für vorzeitigen Tod
Als Beispiel für folgenschwere, aber oft unberücksichtigte Begleiterkrankungen nennt die DGRh die Lunge – gemeinsam mit Herz und Gehirn allererste Garde der lebenswichtigen Organe. Und im Speziellen: die sogenannten interstitiellen Lungenerkrankungen (ILD), die das Binde- und Stützgewebe der Lunge betreffen. Dieses kann durch permanente Entzündung vernarben, gesundes Lungengewebe geht dabei verloren, mit der Zeit leiden die Patienten an Kurzatmigkeit und Husten. Nach Angaben der Fachgesellschaft tragen in 10 bis 20 Prozent der Fälle Lungenschäden zum vorzeitigen Tod der Patienten bei.
Bei 60 Prozent: Lunge schon am Anfang betroffen
Das perfide an dieser schleichenden Begleiterkrankung: Interstitielle Lungenveränderungen treten oft schon sehr früh im Krankheitsverlauf auf, verursachen aber lange Zeit keine Beschwerden. „In Computertomographie-Aufnahmen finden sich bei 60 Prozent der Gelenkrheuma-Patienten Anzeichen für eine ILD, klinische Symptome allerdings nur bei sechs Prozent“, sagt Rheuma-Arzt Krause. Er rät deshalb Patienten mit Rheumatoider Arthritis und den sie behandelnden ärztlichen Kollegen dazu, bereits bei der Erstdiagnose und dann in regelmäßigen Abständen wieder eine ILD zu verlangen beziehungsweise durchzuführen. Eine im Februar dieses Jahres veröffentlichte Studie der Deutschen Rheuma-Liga widmete sich einer anderen Komorbidität rheumatischer Erkrankungen: Dabei stellte sich heraus, dass Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) elf Mal so häufig an der Muskelabbau-Erkrankung Sarkopenie leiden wie gleichaltrige Gesunde.
„Auch um andere Begleiterkrankungen frühzeitig erkennen und behandeln zu können, sind sorgfältige Vorsorgeuntersuchungen notwendig“, mahnt auch DGRh-Vorstandschef Hendrik Schulze-Koops vom Klinikum der Universität München. Der Chef der Fachgesellschaft kritisiert dabei, dass aufgrund eines Mangels an rheumatologischen Fachärzten hierfür häufig zu wenig Zeit sei. Hierauf müssten sich Patienten gefasst sein.
Zum heute beginnenden Jahres-Kongress der DGRh fordert er deshalb auf Dauer eine deutliche Steigerung der Zahl internistisch-rheumatischer Fachärzte ein. Eine Lösung bis dahin könnten einfachere Screening-Methoden sein, die auch vom nicht-ärztlichen rheumatologischen Assistenzpersonal übernommen werden könnten. Patienten selbst wird dazu geraten, bei rheumatischen Erkrankungen durch eine Veränderung ihrer Ernährungsgewohnheiten zu begegnen: insbesondere mit einer radikalen Reduzierung ihres Konsums an tierischem Eiweiß.
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