Für die Eltern ist es zunächst unerklärlich: Ihr Kind entwickelt sich scheinbar normal. Dann, etwa ab dem sechsten Monat, manchmal später, verlernt es bereits erworbene Fähigkeiten, zeigt stereotype Verhaltensmuster, und auch körperliche Behinderungen können entstehen. Das alles können Hinweise auf das Rett-Syndrom sein. Dabei handelt es sich um eine genetisch bedingte, krankhafte Veränderung des Gehirns, von der fast nur Mädchen betroffen sind. Pro Jahr erkranken in Deutschland etwa 50 Kinder. Zurzeit leben hierzulande etwa 2000 bis 3000 Mädchen und Frauen mit dem Rett-Syndrom.
Charakteristisch für das Rett-Syndrom sind stereotype Bewegungen der Hände, die sogenannten „washing movements“. Die Betroffenen zeigen zudem ein teilweise autistisches Verhalten, Demenz und ein verringertes Kopfwachstum. Später können vermehrt epileptische Anfälle und Spastiken auftreten. Typisch sind im weiteren Verlauf Störungen in der Sprachentwicklung, der Verlust der sozialen Kontaktfähigkeit sowie Atmungsstörungen. Viele Kinder mit Rett-Syndrom erlernen das Laufen nicht oder nur eingeschränkt.
Vier Stadien der Erkrankung
Das Rett-Syndrom entwickelt sich in verschiedenen Stadien, die aber nicht immer gleich verlaufen. In der Regel kommt es zwischen dem sechsten und 18. Lebensmonat zu einem Stillstand in der normalen Entwicklung. Häufig stabilisieren sich die Kinder nach einigen Jahren, werden wieder kontaktfreudiger und machen kleine Entwicklungsfortschritte. Dennoch bleiben sie ihr Leben stark eingeschränkt und sind auf Unterstützung angewiesen.
Das Rett-Syndrom wird in folgende vier Stadien eingeteilt:
- Verlangsamung der motorischen Entwicklung (6.-18. Lebensmonat)
- Bereits erlernte Fähigkeiten werden vergessen, insbesondere bei der Sprache und dem Gebrauch der Hände (1-4. Lebensjahr)
- Die Symptomatik kann leicht abklingen; auffällig wird ein unsicheres Gangbild (2.–10. Lebensjahr)
- Verschlechterung der Grobmotorik; Betroffene benötigen häufig einen Rollstuhl (ab dem 10. Lebensjahr)
Symptome des Rett-Syndroms
Die Diagnose eines Rett-Syndroms ist häufig nicht einfach und wird durch die Tatsache erschwert, dass die Symptome in ganz unterschiedlicher Ausprägung auftreten können. Folgende Kriterien gelten als Voraussetzung:
- Normale Schwangerschaft und Geburt
- Normale Entwicklung während der ersten sechs bis 18 Monate
- Häufig Verminderung des Kopfumfangwachstums (1.-4.Lebensjahr)
- Vorübergehender Verlust der sozialen Kontaktfähigkeit
- Störung der Sprachentwicklung und Kommunikationsfähigkeit, Störungen der mentalen Entwicklung
- Verlust erworbener, sinnvoller Handfunktionen (1.-4. Lebensjahr)
- Handstereotypie: „washing movements“
- Störung des Gangbildes
Neben diesen klaren diagnostischen Kriterien sind unter anderem folgende Begleitsymptome typisch für das Rett-Syndrom und treten häufig auf:
- Zurückgezogenheit
- Zähneknirschen (Bruxismus)
- Lach-oder Schreiattacken
- Stereotypien
- Epilepsien unterschiedlicher Ausprägung
- Skoliose
- Atemunregelmäßigkeiten, Phasen beschleunigter und vertiefter Atmung, Luftschlucken
- Speichelfluss
- Kleinwuchs, kleine Füße
Bislang keine Heilung
Bisher gibt es keine Therapie, mit der das Rett-Syndrom ursächlich behandelt oder gar geheilt werden könnte. Daher können nur die Symptome behandelt oder gelindert werden. Einige der Symptome lassen sich nur schwer beeinflussen, andere sind gut behandelbar. Zu den Therapiemöglichkeiten gehören Krankengymnastik, Musiktherapie, Reittherapie, Beschäftigungstherapie, therapeutisches Schwimmen und unterstützte Kommunikation. Die Therapien müssen immer individuell auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt werden. Die Erfolgsaussichten sind dabei von Kind zu Kind unterschiedlich.
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