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Reha nach Schlaganfall: Laufband nicht besser als Entspannung

Dienstag, 1. Oktober 2019 – Autor:
Immer mehr Menschen überleben einen Schlaganfall. Die Reha wird daher immer wichtiger. Dabei scheint das bislang empfohlene Ausdauertraining nicht günstiger zu sein als eine Entspannungstherapie.
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Entspannungsübungen können in der Frühphase nach einem Schlaganfall helfen – Foto: ©fizkes - stock.adobe.com

Fortschritte in der Medizin führen zu einem besseren Überleben nach einem Schlaganfall. Die Reha wird daher immer wichtiger. Dabei scheint das von amerikanischen Fachgesellschaften bislang empfohlene Ausdauertraining nicht günstiger zu sein als eine Entspannungstherapie. Darauf deutet eine neue Studie hin, meldet die Deutsche Gesellschaft für Neurologie.

Weltweit erleiden jährlich 10 Millionen Menschen einen Schlaganfall. Davon erholt sich mindestens ein Drittel funktionell nicht wieder vollständig. Es gibt keine Medikamente zur Unterstützung der Rehabilitation. Das Vorgehen der Wahl besteht in Physio- und Ergotherapie, im Falle von Sprachstörungen in der Logopädie sowie in neuropsychologischen Maßnahmen.

Welches Training in der Frühphase nach Schlaganfall?

Laufband-Training kann Geschwindigkeit und Ausdauer beim Gehen und Treppensteigen verbessern. Zusätzlich könnte die Neuroplastizität des Gehirns gefördert  werden. Daher empfiehlt die American Heart Association/American Stroke Association Schlaganfallpatienten nach der akuten Phase 3-5-mal wöchentlich 20-60 Minuten aerobes Ausdauertraining bei 55-80 Prozent der maximalen Herzfrequenz.

Die Datenlage zu den Ergebnissen einer solchen Schlaganfall-Reha ist allerdings widersprüchlich. "Insbesondere für Patienten in der Frühphase nach einem Schlaganfall bestehen Unsicherheiten, welches Training optimal ist", erläutert Prof. Agnes Flöel, Direktorin der Klinik für Neurologie an der Universitätsmedizin Greifswald.

200 Patienten von Reha-Kliniken in zwei Gruppen aufgeteilt

Die deutsche, multizentrische Studie PHYS-STROKE (Physical Fitness Training in Patients with Subacute Stroke), die innerhalb des Center for Stroke Research Berlin an der Charité gefördert wurde, untersuchte unter der Leitung von Prof. Flöel randomisiert, kontrolliert und endpunktverblindet die Effekte eines aeroben Laufband-Trainings.

Die PHYS-STROKE-Studie wurde 2013 bis 2017 an sieben deutschen, stationären Rehabilitationskliniken durchgeführt. 200 erwachsene Schlaganfallpatienten wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Das mittlere Alter lag bei 69 Jahren, 41 Prozent waren Frauen. Die Patienten waren mittelschwer bis schwer betroffen und lagen im Schnitt bei 8 Punkten auf dem National Institutes of Health Stroke Scale.

Laufband versus Entspannungseinheiten

Die Studiengruppe (105 Probanden) absolvierte zusätzlich zu den Standard-Rehamaßnahmen ein aerobes Laufband-Training, die Kontrollgruppe (95 Probanden) nahm neben den Standard-Rehamaßnahmen an Entspannungs-Einheiten teil. Jede Gruppe absolvierte das jeweilige Training fünfmal wöchentlich, jeweils 25 Minuten, über insgesamt vier Wochen. Nach dieser Zeit nahmen die Patienten weiter an der Standardtherapie teil.

Primäres Outcome waren die maximale Gehgeschwindigkeit (in m/s über eine 10-m-Strecke) und Alltagsaktivität der Patienten (Barthel Index 0-100, wobei ein höherer Wert weniger Behinderung bedeutet) - gemessen drei Monate nach dem Schlaganfall. Als schwere unerwünschte Ereignisse galten kardiovaskuläre Ereignisse einschließlich erneutem Schlaganfall, Rückverlegung in ein Akutkrankenhaus und Tod.

Reha nach Schlaganfall: Laufband nicht besser als Entspannung

Im Ergebnis hatte das Laufband-Training nach drei Monaten nicht zur signifikanten Verbesserung des maximalen Gehtempos oder des Barthel Index geführt. Insgesamt gab es in der Laufband-Gruppe jedoch 1,8-mal mehr schwere Ereignisse als in der Kontrollgruppe (22 versus 9 Patienten) und 2,5-mal mehr Klinikaufnahmen (14 versus 5). Zu erneuten Schlaganfällen kam es bei 8 versus 3 Patienten, Herzinfarkte traten keine auf, dagegen kam es in der Laufband-Gruppe häufiger zu Stürzen (36 versus 14.) In der Kontrollgruppe gab es einen Todesfall.

"Zusammenfassend war das frühe vierwöchige Laufband-Training hinsichtlich des maximalen Gehtempos und der Alltags-Fitness nach drei Monaten dem Entspannungstraining nicht überlegen", so Prof. Martin Ebinger vom Medical Park Berlin Humboldtmühle, der an der Planung und Durchführung der Studie beteiligt war. Für die Reha nach einem Schlaganfall kann also gelten: Das Laufband ist nicht besser als Entspannung

Leichtere Fälle könnten doch profitieren

"Die vorliegenden Daten sprechen also dafür, bei mittel- bis schwer betroffenen Patienten in der subakuten Phase nach Schlaganfall aerobes Training nicht zu forcieren. Möglicherweise könnten aber leichter betroffene Patienten schon früher profitieren. Dieser Frage muss in künftigen Studien nachgegangen werden, damit konkrete Empfehlungen für diese Gruppe gegeben werden können", so Ebinger. Die aktuelle Studie erschien im Fachmagazin BMJ.

Foto: fizkes/fotolia.com

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