PTBS: Warum sich traumatische Erinnerungen nicht unterdrücken lassen

Viele Geflüchtete haben traumatische Dinge erlebt – Foto: ©AungMyo - stock.adobe.com
Lassen sich traumatische Erinnerungen unterdrücken? Und was passiert im Gehirn, wenn Betroffene es versuchen? Diese Fragen hat ein internationales Forscherteam nun untersucht. Bei einem Gedächtnistest zeichneten sie mittels Magnetenzephalografie (MEG) die Hirnaktivität von schwer traumatisierten Geflüchteten auf und verglichen die Ergebnisse bei Teilnehmern mit und ohne PTBS. Die Daten geben Hinweise auf die neuronalen Grundlagen von wiederkehrenden traumatischen Erinnerungen und für die Therapie. Die Ergebnisse der Studie, die von Dr. Gerd Waldhauser von der Ruhr-Universität Bochum, Dr. Simon Hanslmayr von der University of Birmingham und Prof. Dr. Thomas Elbert von der Universität Konstanz gemeinsam mit Kollegen des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung durchgeführt wurde, sind in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ nachzulesen.
Einige Menschen können besser vergessen als andere
An der Studie nahmen 24 geflüchtete Männer und Frauen teil. Elf von ihnen hatten infolge ihrer traumatischen Erlebnisse eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt, das heißt, sie erlebten die auslösende emotionale Situation gedanklich immer wieder. Die übrigen Probanden hatten zwar vergleichbare Ereignisse erlebt, aber keine PTBS entwickelt. Während ihre Hirnaktivität aufgezeichnet wurde, absolvierten die Teilnehmer einen Gedächtnistest, bei dem sie Assoziationen zwischen Bildern von emotional neutralen Alltagsgegenständen lernten. Aufgabe war es anschließend, einige der Assoziationen aktiv zu vergessen, andere zu behalten. Mit der Magnetenzephalografie erfassten die Forscher die sensorischen Gedächtnisspuren, die dabei entweder unterdrückt oder verstärkt wurden.
„Die Signalstärke von sehr hohen sogenannten Gammafrequenzen in Hirnregionen, die mit dem Gedächtnisabruf und der sensorischen Verarbeitung zusammenhängen, deutet darauf hin, wie stark eine bestimmte Gedächtnisrepräsentation ist“, erklärt Dr. Hanslmayr. Wie sich zeigte, konnten Probanden ohne PTBS Assoziationen erfolgreich unterdrücken. Bei ihnen waren die sensorischen Gedächtnisspuren für die willentlich vergessenen Assoziationen geringer ausgeprägt als für erinnerte Assoziationen.
Unterdrückung traumatischer Erinnerungen bewirkt meist das Gegenteil
Anders sah es bei Probanden mit PTBS aus. Je ausgeprägter die Krankheitssymptome waren, desto schwieriger war es für die Teilnehmer, Assoziationen zu unterdrücken. „Die MEG-Daten zeigen, dass das willentliche Unterdrücken von Erinnerungen bei Probanden mit posttraumatischer Belastungsstörung eher einen gegenteiligen Effekt hat“, so Hanslmayr. Die sensorischen Gedächtnisspuren von unterdrückten Erinnerungen blieben erhalten und wurden tendenziell sogar verstärkt.
„Diese Ergebnisse liefern einen Hinweis auf die neuronalen Grundlagen von wiederkehrenden traumatischen Erinnerungen und auf die fehlende Gedächtniskontrolle bei PTBS-Patienten“, so Dr. Waldhauser. Die Forscher weisen jedoch darauf hin, dass sie nur eine kleine Stichprobe für ihre Studie untersuchen konnten. „Diese experimentell und diagnostisch aufwendige Studie ließ sich nur mit wenigen so stark belasteten Probanden durchführen“, erklärt Waldhauser. „Wir konnten allerdings dafür sorgen, dass andere Faktoren, die das Ergebnis hätten beeinflussen können – wie die Stärke von depressiven Symptomen oder die Anzahl an schweren traumatischen Erlebnissen – in den beiden Gruppen vergleichbar waren.“
Hoffnung auf neue Therapiestrategien
Von den Ergebnissen erhoffen sich die Forscher Hinweise auf neue Strategien zur Therapie der posttraumatischen Belastungsstörung sowie auf Faktoren, die Menschen vor der Krankheit schützen können. „Unsere Daten deuten daraufhin, dass die Fähigkeit zum willentlichen Unterdrücken von Erinnerungen möglicherweise vor einer PTBS schützt – oder aber, dass eine PTBS zu einer schlechteren Gedächtniskontrolle führt“, sagt Waldhauser. „Gleichzeitig sollte das Unterdrücken von unerwünschten Erinnerungen nicht leichtfertig als therapeutische Strategie empfohlen werden, da es offenbar genau den gegenteiligen Effekt haben kann: Die Erinnerung verstärkt sich oder bleibt zumindest erhalten.“ Diese Phänomene müssten weiter erforscht werden, um in präventiven oder therapeutischen Strategien münden zu können.
Viele Geflüchtete sind traumatisiert
Eine Posttraumatische Belastungsstörung kann ausgelöst werden, wenn sich der Mensch einer Situation hilflos ausgeliefert fühlt. Dies kann beispielsweise bei schweren Unfällen, sexuellem Missbrauch, anderen Gewaltverbrechen, Naturkatastrophen oder Kriegserfahrungen passieren. Das größte Problem dabei ist, dass bei einem Trauma die damit verbundenen Gedanken, Gefühle und Verhaltensmuster nicht auf gewohnte Weise in das Gedächtnis eingeordnet werden können. In der Folge werden die unvollständig zugeordneten Erinnerungen immer wieder zwanghaft hervorgerufen - sogenannte Flashbacks entstehen. Auch die Gefühle, die zum Zeitpunkt des Traumas angemessen gewesen wären, aber nicht ausgelebt werden konnten, überfluten die Betroffenen später in allen möglichen Situationen.
Schätzungen zufolge leiden rund 50 Prozent der Flüchtlinge unter PTBS, darunter viele Kinder. Sie haben traumatische Dinge erlebt, waren Gewalt und Folter ausgesetzt oder haben ihre Familien verloren. Die Situation im neuen Land verstärkt die Probleme häufig noch, denn hier warten überfüllte Unterkünfte und eine unsichere Zukunft auf sie. Das löst nicht selten psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder schwere Anpassungsstörungen aus. Auch Suizidversuche finden unter Geflüchteten häufig statt.
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