Psychotherapie Ratgeber im Netz kritisch hinterfragen
Das Netz ist voll von Gesundheitsratgebern, auch zu psychologischen psychotherapeutischen Themen. Wer bei Google das Stichwort „Ratgeber Psychotherapie“ eingibt, erhält aktuell 645.000 Treffer. Allein die hohe Zahl sollte misstrauisch machen. Und seriöse Seiten sind von unseriösen auf den ersten Blick oftmals schwer zu unterscheiden. Auffallend hoch sind zum Beispiel viele Informationsseiten, die von Pharmaherstellern gesponsert werden. Entsprechend häufig werden dort medikamentöse Therapien als erstes Mittel der Wahl angepriesen. Nutzer sollten die Inhalte daher kritisch hinterfragen, rät Professor Christiane Eichenberg, Psychologin und Psychotherapeutin an der Sigmund Freud PrivatUniversität Wien, „denn nicht alle Seiten zum Thema bieten verlässliche Informationen.“ Gemeinsam mit ihrer Kollegin Dr. Birgit Stetina hat sie soeben einen Überblick über mögliche Stolperfallen in der Fachzeitschrift „PiD Psychotherapie im Dialog“ publiziert.
Falsche Informationen
Darin warnt das Autorenteam zum Beispiel vor irreführenden und schlichtweg falschen Informationen. „Wenn etwa Essstörungen als unheilbar bezeichnet werden, so ist dies eine gravierende Fehlinformation, die Ratsuchende resignieren lässt“, betont Eichenberg. Doch auch die Inhalte korrekter und ausgewogener Info-Seiten könnten Hilfesuchende überfordern. Psychologische Fachausdrücke blieben für den Laien unverständlich, und allzu schnell sei mancher Nutzer davon überzeugt, „seine“ Diagnose gefunden zu haben, so die beiden Autorinnen. „Ohne das Feedback eines Fachmanns kann sich solch ein psychopathologisches Selbstbild leicht verfestigen.“
Riskante Selbstdiagnose
Patienten mit einer psychologischen Diagnose allein zu lassen, ist laut der Psychotherapeutin, ein grober Fehler. Besonders gefährlich werde es, wenn sich Menschen mit einer – korrekten oder inkorrekten – Selbstdiagnose über das Internet auch gleich mit den ihrer Ansicht nach passenden Medikamenten versorgten.
Markt für online-Psychotherapie wächst
Mit den Ratgeberseiten wächst auch der Markt für online-Psychotherapie. Wissenschaftliche Studien gibt es dazu noch nicht. Ein Manko finden die beiden Autoreninnen. Eine systematische Forschung, die die konventionelle mit der online-Psychotherapie vergleiche sei dringend geboten. Denn dieser Markt werde weiter wachsen und könne sogar Chancen bieten. Dennoch lauerten auch hier einige Stolperfallen. „Der unmittelbare klinische Eindruck, der in einer Face-to-Face-Situation nicht wegzudenken ist, ist online nicht verfügbar“, schreiben Eichenberg und Stetina. Die klinische Urteilsbildung sei daher eindeutig eingeschränkt. Noch lägen zu dieser neuen Situation keine etablierten Richtlinien vor. „Daher müssen wir zu einem bedächtigen Vorgehen bei diesen Angeboten raten“, so das Autorenteam.
Foto: © SolisImages - Fotolia.com