Psychotherapie für Senioren: Zu wenig Wissen und zu lange Wartezeiten
Alte Menschen lassen sich nicht mehr verändern - das glauben viele, besonders die Alten selbst. Auch deshalb gehen nur wenige von ihnen zu einer Psychotherapie. Dabei hat jeder vierte Ältere Symptome einer psychischen Krankheit. Und mittlerweile weiss man, dass Psychotherapien auch bei älteren Menschen wirken. Experten fordern daher ein Umdenken - bei Betroffenen und Ärzten.
Vor allem die Hausärzte könnten hier eine zentrale Rolle spielen. Sie kennen ihre älteren Patienten meist sehr gut und hätten die Möglichkeit, diese langsam an eine Psychotherapie heranzuführen. Doch häufig haben die Ärzte selbst wenig Kenntnisse über die psychischen Probleme der Älteren - obwohl es durch Weiterbildungsmassnahmen möglich ist, sich dafür speziell schulen zu lassen. Aber auch die Psychotherapeuten wissen häufig zu wenig über die besondere Problematik älterer Menschen.
Suchterkrankungen bei Senioren häufig
Anders als bei jungen Menschen treten bei Älteren kaum Essstörungen oder Burnout-Syndrome auf, dafür öfter Depressionen, Ängste oder somatoforme Störungen. Auch posttraumatische Belastungsstörungen bei den Kriegsgenerationen tauchen immer noch auf. Ein weiteres sehr verbreitetes Phänomen bei älteren Menschen sind Suchterkrankungen. Neben geschätzten 400.000 älteren Alkoholikern schätzen Experten den Gebrauch von starken Beruhigungsmitteln bei über einer Million Senioren als problematisch ein. Die genauen Zahlen sind nicht bekannt, da gerade bei Senioren Suchterkrankungen häufig nicht erkannt werden.
Doch selbst wenn dies alles beachtet wird, bleibt immer noch die Schwierigkeit, überhaupt einen Therapieplatz zu finden. Durchschnittlich dauert es zwei bis drei Monate, bis ein Patient bei einem Psychotherapeuten einen Termin für ein Erstgespräch erhält. Manche Therapeuten haben sogar Wartelisten von bis zu einem Jahr. Besonders in ländlichen Regionen ist die psychotherapeutische Versorgungssituation "dramatisch", erklärt Dieter Best, Bundesvorsitzender der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung (DPtV) anlässlich des diesjährigen Symposiums "Psychotherapie in einer älter werdenden Gesellschaft" in Berlin.
Schuld daran seien die Verhältniszahlen, so Best. In ländlichen Gebieten werden von den Krankenkassen vier Psychotherapeuten je 100.000 Einwohner als ausreichend für die Versorgung angesehen. In Grossstädten sind 40 Psychotherapeuten für die gleiche Anzahl Menschen zugelassen; erst dann gilt ein Gebiet als hundertprozentig versorgt - eine Diskrepanz, die für Experten kaum nachvollziehbar ist. In den kommenden Monaten soll die Bedarfsplanung allerdings reformiert werden. Bislang ist der genaue Bedarf jedoch nicht ermittelt.
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