Psychotherapie für Kinder und Jugendliche muss zum Alltag passen
Armut, Vernachlässigung, Traumatisierung, manchmal auch eine schwere, psychische Erkrankung der Eltern – diese Faktoren zählen zu den größten Risiken dafür, dass Kinder und Jugendliche ernsthaft psychisch erkranken. Aus Sicht der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV) sollte hier nicht gewartet werden, bis das Unheil eingetreten ist. Angezeigt wäre vielmehr ein frühzeitiges psychotherapeutisches Eingreifen. Doch genau das ist in vielen Fällen praktisch unmöglich, weil den Psychotherapeuten der Zugang zu den benachteiligten Minderjährigen fehlt. Deshalb fordert die DPtV verstärkt aufsuchende koordinierte Behandlungskonzepte in der Kinder- und Jugendpsychotherapie.
DPtV: Psychotherapie muss dort stattfinden, wo die Kinder sind
„Wir brauchen mehr Handlungsmöglichkeiten, um Kinder da aufzusuchen, wo sie sind“, so die DPtV-Vorsitzende Barbara Lubisch anlässlich eines Fachsymposiums in Berlin. „Viele Kinder brauchen Versorgung, bevor sie krank werden“, sagte die Psychotherapeutin. Sie verwies unter anderem auf Kinder psychisch kranker Eltern, aber auch auf Flüchtlingskinder. „Für begleitete Kinder wird viel zu wenig getan“, kritisierte die DPtV-Chefin.
Lubisch forderte, dass vorhandene Versorgungskonzepte umgesetzt werden müssten. Die DPtV hat schon im Februar ein Konzept zur psychotherapeutischen Versorgung von schwer erreichbaren Kindern und Jugendlichen vorgelegt. Gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sucht die DPtV Krankenkassen als Partner zur Umsetzung des integrierten Versorgungskonzeptes – bislang jedoch vergeblich.
Bedarf nach aufsuchenden Behandlungskonzepten steigt
Dabei beobachten die Psychotherapeuten einen steigenden Bedarf nach solchen Konzepten. Denn sowohl Eltern als auch Kinder haben immer weniger Zeit und Gelegenheit, tagsüber Termine beim Psychotherapeuten wahrzunehmen. Die zunehmende Ganztagsbetreuung der Kinder und die volle Berufstätigkeit der Eltern würden die Behandlungsmöglichkeiten für Kinder in den Praxen der Therapeuten immer mehr einschränken, so die Sozialpädagogin Michaela Willhauck-Fojkar. Wenn dann noch eigene Erkrankungen der Eltern hinzu kommen, ist eine regelmäßige Therapie nur noch schwer zu realisieren.
Willhauck-Fojkar forderte deshalb, dass die Möglichkeiten für aufsuchende Behandlungen und für eine koordinierte Behandlung unter Einbeziehung von Tagespflege, Jugendhilfe und Lehrern ausgebaut werden müssen. Bisher sei es Psychotherapeuten nur im Ausnahmefall erlaubt, außerhalb ihrer Praxis zu behandeln.
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