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Psychotherapie bei Krebs: Warum bekommen so wenige Patienten professionelle Hilfe?

Montag, 9. Oktober 2017 – Autor: Anne Volkmann
Eine Krebserkrankung kann außer körperlichen auch psychische und soziale Probleme verursachen. Dann kann es sinnvoll sein, sich professionelle Hilfe zu suchen. Doch das ist oft gar nicht so einfach.
Psychoonkologie

Krebspatienten können von einer psychotherapeutischen Unterstützung profitieren – Foto: ©Viacheslav Iakobchuk - stock.adobe.com

Wie ein Mensch auf die Belastungen durch Krebs reagieren wird, lässt sich kaum vorhersagen. Viele Krebspatienten kommen langfristig mit den seelischen Auswirkungen ihrer Erkrankung durchaus zurecht. Dennoch verschwinden auch bei ihnen Gefühle wie Hilflosigkeit, Trauer und Angst meist nicht vollständig. Dann kann es zu psychischen Beschwerden wie anhaltender Schlaflosigkeit, niedergeschlagener Stimmung oder fortwährendem Grübeln kommen. In Studien haben Forscher über Fragebögen und Interviews erhoben, wie groß die Belastung von Krebspatienten ist. Die Ergebnisse zeigen: Etwa ein Drittel aller Krebspatienten ist so stark beeinträchtigt, dass die Kriterien einer psychischen Störung erfüllt sind, wie beispielsweise die einer Depression. Bei diesen Betroffenen empfehlen Fachleute eine intensive Unterstützung und psychotherapeutische Begleitung, wie der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) betont.

Psychotherapien helfen Krebspatienten nachweislich

Mit Hilfe von psychoonkologischen Angeboten können mit der Erkrankung verbundene Ängste bewältigt, das Selbstwertgefühl aufgewertet und sozialer Isolation entgegengewirkt werden. Studien haben gezeigt, dass Psychotherapien bei durch Krebs bedingten psychischen Problemen wirksam sind. So haben vor einigen Jahren Forscher der Universitäten Mainz und Leipzig zum Beispiel nachweisen können, dass eine spezielle Kurzzeit-Psychotherapie Brustkrebspatientinnen effektiv gegen ihre Depressionen helfen kann.

Nach Ansicht von Fachleuten sollten daher alle Krebspatienten ein Angebot zur Unterstützung beispielsweise in Form von psychosozialen Beratungsgesprächen erhalten – auch die Patienten, deren Belastung nicht ganz so ausgeprägt ist oder bei denen nur bestimmte Themen- oder Lebensbereiche betroffen sind. Wer dauerhaft Unterstützung benötigt, sollte einen psychotherapeutisch arbeitenden Psychoonkologen aufsuchen, denn die psychotherapeutische Behandlung von Krebspatienten stellt andere Anforderungen an den Psychotherapeuten als die Behandlung von Patienten, die „nur“ an einer psychischen Erkrankung leiden. Doch kompetente Hilfe für den Umgang mit einer Krebserkrankung zu finden, ist oft gar nicht so leicht. Experten fordern daher, dass die psychotherapeutische Begleitung von Krebspatienten selbstverständlicher wird.

Hürden bei der Suche nach fachgerechter Betreuung

Die Probleme liegen unter anderem in den immer noch getrennten Versorgungssektoren begründet. Fachleute fordern daher, dass somatische und psychosomatische Medizin besser zusammenarbeiten. Aber auch das Problem, überhaupt einen Termin bei einem von den Krankenkassen anerkannten Psychotherapeuten zu bekommen, stellt einen häufigen Hinderungsgrund für eine adäquate Versorgung dar. Oft müssen Patienten dadurch lange Wartezeiten in Kauf nehmen.

Um diese Situation zu verbessern, wurde eine Richtlinie im Versorgungsstrukturgesetz überarbeitet. Seit dem 1. April 2017 steht gesetzlich Versicherten die Möglichkeit offen, eine psychotherapeutische Sprechstunde zu besuchen und bei Bedarf auch eine Akutbehandlung wahrzunehmen. Patienten, die weiterhin Schwierigkeiten haben, einen Behandlungsplatz zu finden, sollen sich zur Terminvergabe an die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung ihres jeweiligen Bundeslandes wenden. Der Psychotherapeut kann bei einer Vermittlung durch die Terminservicestellen jedoch nicht frei gewählt werden.

Terminvergabe und getrennte Versorgungssektoren sind aber nicht die einzigen Probleme, die Betroffene hindern, eine psychotherapeutische Beratung in Anspruch zu nehmen. Nicht wenige Patienten und auch Angehörige scheuen sich davor, weil eine psychologische Unterstützung für sie gleichbedeutend mit einer psychischen Erkrankung, Instabilität oder Depression ist. Doch zum einen muss dies gar nicht der Fall sein, zum anderen gäbe es auch in diesen Fällen keinen Grund, den Gang zum Therapeuten zu scheuen. Hier sollen Entstigmatisierungsprogramme helfen, die Vorurteile zu reduzieren.

Krankenhäuser bieten psychosoziale Beratung an

Was können Patienten nun tun, um erste Informationen einzuholen? Dazu eigenen sich beispielsweise die psychoonkologischen und psychosozialen Beratungsangebote in den Krankenhäusern oder in den Reha-Kliniken. In vielen Städten gibt es zudem (meist kostenlose) Krebsberatungsstellen. Diese Ansprechpartner vermitteln weiterführende Hilfen sowohl für Krebspatienten als auch für ihre Angehörigen.

Wer eine längerfristige psychotherapeutische Betreuung sucht, kann eine Übersicht in der Rubrik Wegweiser unter „Psychotherapie bei Krebs: Ambulant psychotherapeutisch tätige Psychoonkologen“ des DKFZ finden. Grundsätzlich übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für eine Psychotherapie, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind: Es muss sich um ein von den Kassen anerkanntes Verfahren handeln (Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie oder analytische Psychotherapie), und der Therapeut muss über eine sogenannte Kassenzulassung verfügen.

In Einzelfällen können Krankenkassen auch die Kosten für die Behandlung bei einem Therapeuten ohne Kassenzulassung übernehmen. Dies kommt nur dann in Betracht, wenn die Praxen von Psychotherapeuten mit Kassenzulassung überlaufen sind. Patienten, die vergeblich nach einem Therapieplatz gesucht haben, sollten in solchen Fällen die Kostenübernahme rechtzeitig mit dem Therapeuten und der Krankenkasse abklären.

Foto: © Viacheslav Iakobchuk - Fotolia.com

Hauptkategorie: Medizin
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