Psychiatrie: Offene Stationen erhöhen Suizidrisiko nicht

Geschlossene Stationen schützen offenbar nicht vor Suiziden – Foto: Photographee.eu - Fotolia
Suizid ist in Deutschland nach wie vor die häufigste nicht natürliche Todesursache. Rund 10.000 Menschen nehmen sich hierzulande jedes Jahr das Leben. Bei drohendem Suizid kommen Patienten häufig zunächst auf eine geschlossene Station, die sie ohne Begleitung nicht verlassen dürfen. Doch bisher konnte nicht nachgewiesen werden, dass geschlossenene Stationen das Risiko für Suizide oder anderes selbstgefährdendes Verhalten gegenüber offenen Stationen tatsächlich reduzieren. Forscher um Professor Undine Lang, Direktorin der Erwachsenenpsychiatrie der Basler Universitären Psychiatrischen Kliniken, wollten die Zusammenhänge nun genauer analysieren.
Therapiebereitschaft auf offenen Stationen höher
Für ihre Studie werteten die Forscher die Daten von 350.000 Patienten aus, die wegen psychischer Erkrankungen in verschiedenen deutschen Kliniken behandelt wurden. Einige dieser Kliniken hatten geschlossene Stationen, andere verzichteten ganz darauf und verfolgten den Ansatz der offenen Türen. Die psychiatrischen Grunderkrankungen der Patienten waren vergleichbar.
Wie sich zeigte, kamen Suizide auf offenen Stationen nicht häufiger vor als auf geschlossenen Stationen. Auch Selbstmordversuche oder Therapieverweigerungen durch zeitweiliges oder dauerhaftes Entfernen waren in Krankenhäusern, die eine Praxis der offenen Türen verfolgten, nicht höher. In einer zweiten Analyse, die offene und geschlossene Stationen direkt miteinander verglich, waren Suizidversuche oder Behandlungsverweigerungen auf offenen Stationen sogar seltener. Für die Studienautoren sind die Ergebnisse ein Hinweis darauf, dass die Atmosphäre auf den offenen Stationen besser ist und die Therapien von den Patienten besser angenommen werden.
Wirksame Therapie kann Suizide verhindern
Die meisten Suizide gehen auf psychische Erkrankungen wie Depressionen, bipolare Störungen oder Psychosen zurück. Werden diese Störungen rechtzeitig erkannt und adäquat behandelt, kann dies das Risiko für Suizide wirksam senken. Die beste Wirksamkeit scheint Studien zufolge eine Kombination aus Psychotherapie und medikamentöser Behandlung zu haben. Bei Depressionen haben sich vor allem die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) als sinnvoll erwiesen. Bei bipolaren Erkrankungen scheint Lithium noch immer die wirkungsvollste Option zu sein. Eine gute und vor allem schnelle Wirkung gegen Suizidgedanken zeigt auch die Elektrokrampftherapie (EKT). Manche Experten empfehlen daher, die EKT nicht nur als Ultima Ratio anzusehen, sondern bei gefährdeten Patienten auch früher einzusetzen.
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