Prognos-Studie: Thüringer Pflegefachkräfte zieht es in andere Länder
69 dringend nötige Verbesserungsvorschläge enthält die im Auftrag des Thüringer Wirtschaftsministeriums von der Prognos AG durchgeführte Studie „Fachkräftesicherung durch Gute Arbeit“.
Demnach hat Thüringen im Bundesvergleich die geringsten Pflegesätze und verfügt gemeinsam mit Sachsen über das niedrigste Lohnniveau, halten die Autoren der Studie fest. Dies führe mit dazu, dass dieser Beruf ein schlechtes Ansehen hat und unattraktiv für Berufseinsteiger ist; Fachkräfte aus dieser Sparte ziehen folglich in die benachbarten Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und auch in die Schweiz.
Thüringen braucht einen Qualitätsschub in der Pflege
Das ist Anlass genug für Thüringens Sozialministerin Heike Taubert, um zu versprechen: „Wir werden in der Pflege für eine gute Personalausstattung sowie für eine qualifizierte Betreuung der Auszubildenden durch Fachkräfte sorgen“.
Dass ist auch nötig. Denn aufgrund des steigenden Pflegebedarfs ist die Sozialwirtschaft eine Wachstumsbranche, die gleichzeitig mit einem stetig steigenden Fachkräftebedarf konfrontiert ist.
„Thüringen braucht daher einen Qualitätsschub bei den Löhnen und bei den Arbeitsbedingungen in der Pflege“, sagt denn auch Thüringens Wirtschafts- und Arbeitsminister Uwe Höhn, „nur so können Fachkräfte für diese Branche gesichert werden“.
Geht man der Frage nach dem hohen Handlungsdruck in der Altenpflege nach, sind die Gründe laut Studie u. a. die niedrigen Löhne und die niedrige Tarifbindung in der Branche. Letztere liegt für die Behindertenhilfe sowie in der Alten- und Krankenpflege in Thüringen bei 30 Prozent; für die Altenpfleger allein liegt sie bei nur 6,9 Prozent. Bayern weist mit 56 Prozent und 38,5 Prozent weit darüber liegende Werte aus. Damit ist Thüringen das Schlusslicht, heißt es in der Studie. Dies führe dazu, dass sich die Unternehmen in einem Dumpingwettbewerb befinden.
69 Handlungsempfehlungen – vom Anreizsystem bis zum besseren Management
Handlungsdruck besteht auch aufgrund des schlechten Ansehens des Pflegeberufes. Beklagt wird oft die mangelnde Wertschätzung der Arbeit. Zwischen dem Engagement, das erbracht wird, und das von ihnen erwartet wird, und dem niedrigen Ansehen dieses Berufs klafft eine große Lücke, fasst Prognos das Dilemma zusammen.
Dabei muss der Studie folgend die Wertschätzung der Mitarbeiter als Führungsaufgabe verstanden, die Führungsqualität als Teil der Organisationskultur verankert und der Wissenstransfer zwischen Mitarbeitern und Führungskräften sichergestellt werden.
Neben der Mängel bei der Führungsqualität der Mitarbeiter bestehen jedoch auch Probleme beim Personalmanagement bis hin zu einer langfristigen Personalplanung und der Arbeitsorganisation. Nicht verwunderlich ist es daher, dass die Wissenschaftler das Fehlen eines professionellen Managements in vielen Einrichtungen als Hinderungsgrund für eine bessere Pflege ansehen.
Gesundheitsmanagement auf körperlich belastende Tätigkeiten konzentrieren
Hohes Potenzial positiv auf die Berufsverweildauer zu wirken und damit gegen einen Fachkräftemangel zu arbeiten, erkennt Prognos im Gesundheitsmanagement. Und empfiehlt dabei, sich auf wenige wirkungsvolle Maßnahmen beim Umgang mit körperlich belastenden Tätigkeiten zu konzentrieren. Von Seiten der Betriebe sollen ausreichend Hilfsmittel, wie z.B. höhenverstellbare Pflegebetten und Badewannensitze, bereitgestellt werden, um gesundheitsbelastende Faktoren bei der täglichen Arbeit als Pflegekraft zu reduzieren.
In ihren 69 Handlungsempfehlungen an Politik und Betriebe plädieren die Verfasser der Studie zudem für ein Anreizsystem für den Behandlungs- und Betreuungserfolg, eine Erhörung der gesetzlichen Pflegeleistungen, damit die Pflegekräfte mehr Zeit für die Patienten haben, sowie für die Durchsetzung höherer Löhne und die Ausweitung der Tarifbindung. Weiter heißt es, „Pflegekräfte müssen von pflegefremden Tätigkeiten entlastet werden“. Zudem gefordert werden verbindliche Dienstpläne und die Einführung eines Personalpuffers.
Darüber hinaus plädieren die Verfasser der Studie für eine Flexibilisierung und Öffnung der in der stationären Pflege geltenden Fachkraftquote. Die meisten Bundesländer schreiben hier eine Quote von 50 Prozent vor. Jetzt sollen auch Arzthelfer/ -innen und Heilerziehungspfleger/ -innen mit in die Berechnungen einfließen, so die Empfehlungen.
Angesichts der niedrigen Pflegesätze fordert Prognos letztlich auch eine Steigerung der Kommunikation und Kooperation der Betriebe und Verbände untereinander. So könne die Verhandlungsposition gegenüber den Pflegekassen und Sozialhilfeträgern verbessert und höhere Pflegesätze erzielt werden.
Foto: © Marco2811 - Fotolia.com