
Dank seiner wundheilungsfördernden und anti-entzündlichen Eigenschaften ist Amnion-Gewebe eine viel versprechende Option bei chronischen oder komplizierten Wunden wie dem diabetischen Fußsyndrom oder bei Brandverletzungen. – Foto: AdobeStock/OlegD
Wie belastend das Leben mit einer nicht-heilenden Wunde sein kann, zeigt die Geschichte des Patienten Harald. H.: Bei einem Arbeitsunfall zog sich der 54-Jährige einen Achillessehnenriss zu – die entstandene Operationsnaht entzündete sich. Alltägliches wie Auto fahren, zum Sport gehen oder selbst duschen waren ihm nicht mehr möglich oder nur mit Hilfe seiner Frau. Nach jahrelanger, aussichtsloser Behandlung entschied er sich dafür, die chronische Wunde mit „Amnion“ behandeln zu lassen – „mit Sofort-Effekt, denn die Wunde begann sich zu schließen“, berichtet die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG).
Amnion – Was ist das?
Amnion ist eine Membran, die von der kindlichen Seite des Mutterkuchens (Plazenta) in der Gebärmutter stammt. Das medizinisch einsetzbare menschliche Gewebe stammt aus Lebendspenden und wird bei einer geplanten Kaiserschnittgeburt aus der mütterlichen Plazenta gewonnen. Laut DGFG verfügt Amnion über wundheilungsfördernde und anti-entzündliche Eigenschaften, verhindert Narbenbildung und wird vom Immunsystem kaum abgestoßen. „Es zeigt sich einmal mehr, dass die Natur hier eine perfekte Lösung gefunden hat“, sagt Nicola Hofmann, Wissenschaftliche Leiterin bei der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation. „Denn die Amnion-Membran befindet sich zwischen zwei an sich fremden Immunsystemen – denen von Mutter und Kind.“ Positive Folge: Ihre Verwendung in der Wundtherapie führe „zu keiner Abstoßungsreaktion oder Unverträglichkeit bei Patientinnen und Patienten".
Amnion-Transplantate: Anwendungen in der Medizin
Neben Wundheilungsstörungen wie beim diabetischen Fußsyndrom kommt Amnion auch in der Augenmedizin zum Einsatz (Rekonstruktion nach Verbrennungen oder Verätzungen), in der Mund- und Kieferchirurgie, der gynäkologischen Chirurgie (Gebärmutter, Scheide) sowie als temporärer Hautersatz bei thermischen Verletzungen.
Eine Spende – mehrere hundert Transplantate
Aus einer Plazenta-Spende können unter günstigen Umständen mehrere hundert Amnion-Transplantate gewonnen werden. Anders als Organe werden diese Gewebe nicht unmittelbar transplantiert, sondern zunächst von geschultem Personal in spezialisierten Gewebebanken zu Transplantaten weiterverarbeitet. Um diese Therapieoption Patienten vermehrt zugänglich zu machen, stellt die DGFG humane Amnion-Membran für die klinische Anwendung bei chronischen Wunden zur Verfügung – unter der Genehmigung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI). Im vergangenen Jahr konnte die Fachgesellschaft nach eigenen Angaben mehr als 2.000 solcher Amnion-Präparate vermitteln. Die DGFG vermittelt ihre Transplantate über eine zentrale Vermittlungsstelle mit einer bundesweiten Warteliste.
Amnion: „Booster für die Selbstheilung von Wunden“
Diese unkonventionelle Behandlungsmethode wurde jetzt auf einem Fachkongress mit dem „Deutschen Wundpreis“ ausgezeichnet. Zur Wirkung von Amnion-Gewebe sagt der jetzt gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern mit dem Wundpreis bedachte Mediziner Hans-Oliver Rennekampff, Chefarzt der Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie am Rhein-Maas-Klinikum in Würselen: „Bei einer absoluten Stagnation der Wundheilung und fehlender Therapieoptionen ist das Amnion wie eine Art Booster, welches die Wunde zur besseren Selbstheilung anregen soll.“