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Placebos haben rätselhafte Wirkung

Montag, 1. April 2013 – Autor:
Placebos enthalten keinen Wirkstoff. In der klinischen Praxis haben die „inhaltlosen“ Pillen aber oft eine therapeutische Wirkung. Warum das so ist, erforschen Wissenschaftler mit Hilfe einer Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Placebos haben oft heilsame Wirkung

Placebo: Wirkung hängt von der Erwartungshaltung ab

Warum wirken Placebos manchmal genauso gut wie echte Medikamente? Obwohl die Tabletten, Pillen oder Tropfen keinen Wirkstoff enthalten, haben sie oft einen positiven Effekt auf die Gesundheit und lindern die Symptome und Beschwerden des Patienten. So verschwinden etwa Schmerzen, die Muskelkraft nimmt zu oder die Produktion von Stresshormonen nimmt ab.

Wissenschaftler beschäftigen sich seit langem mit der Frage, warum Menschen von den Scheinmedikamenten profitieren. „Tatsächlich liegen Placebo-Effekten messbare körperliche Vorgänge im Patienten zugrunde“, sagt Prof. Dr. Paul Enck, Forschungsleiter der Medizinischen Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen. „Diese können durch aktuelle Erwartungen und frühere Erfahrungen des Patienten mit einer Erkrankung und ihrer Behandlung ausgelöst werden, etwa durch Heilsversprechen oder die Zuwendung durch den Arzt.“ Demnach ist die wichtigste psychologische Erklärung für den Placebo-Effekt die Erwartungshaltung des Patienten.

Wissenschaftler wollen den Placebo-Effekt enträtseln

Placeboforscher Encke hält den Placebo-Effekt für durchaus praxisrelevant. „In der klinischen Praxis stellten Placeboeffekte wünschenswerte Unterstützung medizinisch-therapeutischer Maßnahmen dar, die es zum Nutzen der Patienten zu maximieren gilt. Dazu könnte auch die Möglichkeit gehören, bei chronischer, dauerhafter Medikamenteneinnahme einen Teil der Tabletten durch Placebos zu ersetzen“, fordert Enck. Wenn Medikament und Placebo abgewechselt würden, könnten Nebenwirkungen reduziert werden, ohne die Hauptwirkung zu verlieren.

Heißt das, Ärzte sollten auf eigene Faust chronisch kranke Patienten künftig mit Placebos versorgen? Nein. Dazu sind weitere Erkenntnisse zur neuro- und psycho-biologischen Wirkungsweise von Placebos notwendig. Diese werden derzeit von der transregionalen Forschergruppe FOR 1328 erforscht. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit 2,6 Millionen Euro gefördert. Enck ist einer der Sprecher der Forschergruppe. Den Forschern geht es in dem Projekt auch darum, den Placebo-Effekt besser kontrollieren zu können. Denn bislang dienen Placebos vor allem dazu, Medikamente in klinischen Studien zu testen. Um aber die Wirksamkeit der neuen Therapien angemessen beurteilen zu können, sei es unumgänglich, den Placebo-Effekt zu kontrollieren beziehungsweise zu minimieren, meint Enck. Dazu seien auch alternative Designs für solche Therapieversuche notwendig.

Nocebo ist das Gegenteil von Placebo

Die Placeboforschung befasst sich mit der Frage warum Placebos (manchmal) so gut wirken wie echte Medikamente und welche Mechanismen diesen Wirkungen zugrunde liegen. Zahlreiche Studien wurden dazu veröffentlicht. Gegenstand der aktuellen Forschung ist auch der so genannte "Nocebo-Effekt" - das Gegenteil des Placebos. In Studien konnte gezeigt werden, dass Ärzte ihre Patienten mit negativen Äußerungen über ein bestimmtes Medikament ebenso krank machen können wie mit einer zu ausführlichen Aufklärung über Behandlungsrisiken.

Foto: © Gina Sanders - Fotolia.com

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