Physician Assistant: Die Pflegekraft, die mehr darf

Der neue Studiengang „Physician Assistance": Ein Mittel vor allem gegen den Hausärztemangel – und eine Aufstiegsmöglichkeit für Pflegekräfte. – Foto: ©Pixel-Shot - stock.adobe.com
In den USA und Großbritannien ist dieser Beruf seit Jahrzehnten verbreitet und beliebt, in Deutschland ist er noch jung. Und es ist ein Beruf, an dem sich Kontroversen entzünden: der „Physician Assistant“ (PA), der „Arzt-Assistent“. Es ist ein Beruf zwischen Pflegekraft und Arzt, für den auch in Deutschland Bedarf bestünde. Denn der Personalmarkt bei Klinikärzten ist leergefegt. Die hausärztliche Versorgung, vor allem auf dem Land, dünnt sich immer weiter aus. Der demographische Wandel sorgt für immer mehr ältere Menschen, die oft mehrere Krankheiten gleichzeitig haben. Und andererseits gibt es in Deutschland aus gutem Grund den Anspruch auf Facharztstandard. Ärzteorganisationen warnen vor einem Qualitätsverlust in der Medizin, wenn solche Assistenten, weil sie weniger kosten, eingesetzt werden könnten, um Ärzte zu ersetzen. „Es darf keinen ‚Arzt light‘ geben“, heißt es etwa bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
Ärztliches tun, ohne Arzt sein zu müssen
An der „Hochschule Anhalt“ in Köthen, Sachsen-Anhalt, startet im Oktober ein neuer Studiengang „Physician Assistance (B.Sc.)“. In einem sieben Semestern dauernden Bachelor-Studium können sich hier Personen weiterbilden, die bereits über eine abgeschlossene Ausbildung in einem Gesundheitsberuf verfügen. Nach Angaben der Hochschule ist der neue Studiengang „das erste staatliche berufsbegleitende Studium seiner Art“ in Deutschland.
„Am Ende des Studiums besitzen die Absolventinnen und Absolventen die formalen Voraussetzungen, um weisungsgebunden delegierbare Tätigkeiten an Patienten selbständig unter Berücksichtigung ethischer und betriebswirtschaftlicher Gesichtspunkte auszuüben, die zuvor vom Arzt übernommen wurden“, heißt es in einer Mittellung der Hochschule Anhalt. Anspruch der Ausbildung sei es, medizinisch-naturwissenschaftliche Fachkompetenz zu vermitteln, mit deren Hilfe „die Absolventen im Rahmen der Delegation zu ärztlichem Handeln befähigt werden, ohne jedoch die Heilkunde auszuüben“. Ziel sei es, dass der PA den Arzt von Routinetätigkeiten entlaste. Als Einsatzbereich genannt werden etwa die fachübergreifende Notfallbehandlung, Wundversorgung und Funktionsdiagnostik.
Schwerpunkt: hausärztlich-ambulante Medizin
Im PA-Studium gelangen die Studierenden zu einem akademischen Abschluss, während sie weiter berufstätig sind. Schon während der Studienzeit lassen sich damit alle Ausbildungsinhalte sofort in die Praxis umsetzen. Die sieben Semester des Studiums mit dem Schwerpunkt „hausärztlich-ambulante Medizin“ sind fachlich breit angelegt und überdurchschnittlich praxisorientiert. Die gegenwärtigen Einsatz- und Tätigkeitsbereiche der PAs umfassen die meisten internistischen und chirurgischen Fachdisziplinen in klinischen Einrichtungen. Die Studieninhalte sind deshalb auch hauptsächlich medizinisch geprägt:
Physician Assistant: Das steht auf dem Lehrplan
- Grundlagen der Klinischen Medizin
- Innere Medizin und Chirurgie
- Orthopädie
- Gynäkologie
- Notfallmedizin
- OP-Lehre
- berufsrelevante rechtliche Aspekte
- Medizintechnik und -produkte
- Informationstechnik
- Qualitätsmanagement
- Dokumentation und Projektmanagement
Dazu kommen praktische Hospitationen, in denen die Studierenden unter anderem in der Notfallversorgung, Triage und Intensivmedizin ausgebildet werden und Aspekte der Patientenversorgung vertiefen, ebenso wie Patientenaufnahme, Dokumentation, Abrechnung und Funktionsdiagnostik.
Voraussetzung: Abgeschlossene Ausbildung in einem Gesundheitsberuf
Bewerben können sich Personen aus medizinischen Assistenz- und Gesundheitsfachberufen mit einer dreijährigen, erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung. Wem die Hochschulzugangsberechtigung fehlt, der kann diese über eine Zulassungsprüfung nachholen. Vorkenntnisse aus absolvierten Aus- und Weiterbildungen sind in einem festgelegten Rahmen zum Teil anrechnungsfähig.
Weiterer Schritt zur Akademisierung der Pflege
Bis zu sechs Wochen vor der Bewerbung zum Studium können bei der Investitionsbank Sachsen-Anhalt Anträge auf die Förderprogramme Weiterbildung Direkt oder Weiterbildung Betrieb beantragt werden, die für Interessenten mit Wohnsitz in Sachsen-Anhalt bis zu 90 Prozent der Weiterbildungskosten erstatten können. Ähnliche Programme gibt es auch in anderen Bundesländern. Der Studiengang ist ein weiterer Schritt hin zu einer Aufwertung von Pflegeberufen durch Akademisierung. Ebenfalls zum Wintersemester 2020 startet an der Berliner Charité der neue Studiengang „Bachelor of Science in Pflege“.
PA: Nicht zu verwechseln mit „Assistenzarzt“ oder „Arzthelferin“
In Deutschland arbeiten Physician Assistants bislang vor allem in Kliniken. Das Berufsbild ist nicht zu verwechseln mit dem „Assistenzarzt“ im Krankenhaus oder der „Arzthelferin“ in Praxen niedergelassener Ärzte. Ein Assistenzarzt ist ein approbierter Arzt ohne leitende Funktion, der sich Facharztweiterbildung befindet. Unter Anleitung und Aufsicht von Oberarzt oder Chefarzt führt er im Krankenhaus auch aufwändigere Behandlungen durch, zum Beispiel Operationen oder Herzkatheteruntersuchungen. Die früher „Arzthelfer/innen“ und heute „Medizinische Fachangestellte (MFA) bezeichneten Kräfte arbeiten überwiegend zur Unterstützung der Ärzte in Arztpraxen.
Foto: AdobeStock/Pixel-Shot