Pflegende Angehörige durch Corona-Krise noch stärker belastet

Rund ein Drittel der pflegenden Angehörigen erlebt während der Corona-Krise eine Verschlechterung der Pflegesituation
Es sind Ehepartner, Kinder, Eltern oder andere Nahestehende, die ein Familienmitglied zu Hause pflegen und einen Großteil der häuslichen Pflege schultern. Rund 4,7 Millionen Menschen fallen laut dem Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) unter den Begriff „pflegende Angehörige.“ Viele von ihnen waren schon vor der Pandemie physisch und vor allem psychisch stark belastet. Diese Situation hat sich nun weiter verschärft, wie eine aktuelle Untersuchung des ZQP und der Charité zeigt.
Für jeden Dritten hat sich die Situation verschlechtert
Danach erlebt rund ein Drittel der pflegenden Angehörigen eine Verschlechterung der Pflegesituation und rund ein Viertel fühlt sich mehr oder weniger überfordert. Ebenso viele sind besorgt, die häusliche Pflege nicht mehr zu schaffen.
Gefühle der Hilflosigkeit in der Pflegesituation haben bei 29 Prozent der Angehörigen zugenommen. Eine Steigerung belastender Konflikte mit der pflegebedürftigen Person geben 24 Prozent an. In Bezug auf Verzweiflungsgefühle sagen 22 Prozent, diese seien mehr geworden. Ein Fünftel berichtet, Wut und Ärger in der Pflegesituation seien gewachsen.
Ungute Gemengelage
„Unsere Studie weist darauf hin, dass sich nicht wenige pflegende Angehörige mit zusätzlichen Sorgen im Gepäck durch die Corona-Zeit kämpfen müssen“, sagt ZQP-Vorstand Dr. Ralf Suhr. „Denn sie tragen oft große Verantwortung für die Gesundheit sowie die emotionale und soziale Situation ihrer pflegebedürftigen Nächsten. In der Gemengelage von Infektionsrisiken, Kontaktbeschränkungen und damit verbundenen Unterstützungsverlusten sowie ökonomischer Unsicherheit liegt zusätzliches Überlastungspotenzial.“
Besonders schwierig ist die Situation für Angehörige von Menschen mit Demenz. Von ihnen nehmen 41 Prozent die Pflegesituation als zugespitzt wahr. Ein Drittel gibt an, damit überfordert zu sein und 35 Prozent, sorgen sich, die häusliche Pflege bald nicht mehr zu schaffen – wegen der Pandemie. Auch andere belastende Gefühle wie Wut oder Verzweiflung oder Konflikte haben deutlicher zugenommen als bei pflegenden Angehörigen ohne direkten Demenzbezug.
Pflege von Demenzkranken besonders kritisch
„Insgesamt deutet sich hier ein Muster in unseren Ergebnissen an“, erklärt Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey, Direktorin des Instituts für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft der Charité- Universitätsmedizin Berlin. „Angehörige, die einen Menschen mit Demenz versorgen, sind in der Corona-Situation potenziell besonders belastet.“ Denn für Menschen mit Demenz sei es unter anderem wichtig, dass ihre gewohnten Routinen erhalten bleiben. Veränderungen und Stress, die nun gerade vermehrt auftreten, wirkten sich nachteilig aus. Auch hätten die Betroffenen teilweise erheblichen Bewegungsdrang und verstünden die Pandemie-Regeln oft nicht. „Mit den daraus resultierenden Problemen sind pflegende Angehörige jetzt zusätzlich konfrontiert“, sagt Adelheid Kuhlmey.
Weniger Unterstützung in der Krise
Durch die Pandemie fielen (und fallen!) außerdem viele Hilfsangebote und Dienstleistungen weg. So konnten Tagespflegeeinrichtungen in 81 Prozent der Fälle nicht mehr genutzt werden. Aber auch Fußpflegedienste kamen nicht mehr, vielerorts fiel die Unterstützung durch Nachbarn, Freunde oder den Hausarzt weg. Auch ambulante Pflegedienste wurden seltener oder gar nicht mehr genutzt – aus Angst vor dem Infektionsrisiko.
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