Pflegende Angehörige bräuchten einen Coach
Bei der Betreuung von schwer kranken Menschen zu Hause tragen pflegende Angehörige die Hauptlast. Um diese schwierige Aufgabe erfolgreich zu meistern, sollten sie frühzeitiger und systematischer unterstützt werden, zum Beispiel im psychosozialen Bereich und durch einen besseren Zugang zu Entlastungangeboten.
Wie belastend pflegende Angehörige ihre Situation erleben, hängt nicht nur von direkter Unterstützung wie Hilfe in der Pflege ab, sondern auch von ihren Strategien und Ressourcen. Mit Ressourcen sind nicht nur die finanziellen Möglichkeiten, sondern auch Motivation, soziales Netzwerk, Fähigkeiten und Persönlichkeit gemeint.
Pflegende Angehörige fühlen sich oft einsam
Sozialwissenschaftler um Beat Sottas aus Freiburg haben im Rahmen des Nationalen Forschungsprogrammes „Lebensende“ 25 Personen aus den Kantonen Freiburg und Wallis interviewt, die sich aufgrund eines Zeitungsartikels gemeldet haben. Befragt wurden 20 Frauen, die ihre schwerkranken Ehemänner, Mütter, Väter oder Geschwister pflegten, und 5 Männer, die sich um ihre Ehefrau kümmerten.
Die Forschenden wollten wissen, was die pflegenden Angehörigen als besonders belastend erleben und welche Strategien sie entwickeln, um die oft lang andauernde Situation zu bewältigen. Die Studie zeigt, dass pflegende Angehörige häufig über zunehmende Müdigkeit und Überlastung berichten. Hinzu kommen Einsamkeit, Trauer und Zukunftssorgen, Hilf- und Machtlosigkeit sowie das Gefühl, immer stärker fremdbestimmt zu sein.
Zu den Bewältigungsstrategien der Angehörigen gehört die aktive Suche nach Entlastung, zum Beispiel durch die Unterstützung professioneller Dienste oder durch Hilfe aus dem persönlichen Umfeld. Außerdem: sich informieren, Kompetenzen erwerben, Austausch mit anderen, das Positive hervorheben sowie Ausgleich schaffen und die eigenen Bedürfnisse pflegen.
Pflegende Angehörige brauchen soziale Unterstützung
Die Angehörigen fühlen sich durch moralische Verpflichtungen oder gesellschaftliche Erwartungen unter Druck, sich um ihre kranken Angehörigen zu kümmern. „Am wichtigsten ist in dieser Situation, mutig zu sein und sich Zeit zu nehmen, um eine gewisse Distanz zu gewinnen“, sagt Beat Sottas in einer Pressemitteilung des SNF.
Um die pflegenden Angehörigen zu unterstützen brauche es meistens keine weiteren Entlastungsangebote, sondern bessere Information über die bestehenden Dienste und Finanzierungen, ein ernsthaftes Abwägen der eigenen Möglichkeiten sowie soziale, psychologische und spirituelle Unterstützung, folgern die Forschenden aus ihren Ergebnissen.
Pflegende Angehörige brauchen einen Coach
Beat Sottas betont: „Es braucht einen Wechsel in der Wahrnehmung. Pflegende Angehörige sind keine Ko-Patienten, sondern sollten als kompetente Partner des Pflegesystems behandelt werden.“ Um das Therapie- und Unterstützungsangebot eines Patienten zu Hause zu koordinieren bringe ein Gespräch an einem Tisch viel mehr, als vereinzelte kurze Besuche eines Arztes oder eines ambulanten Pflegedienstes.
Wichtig sei dabei, dass die Fäden immer bei einer einzigen Fachperson zusammenlaufen, sagt Sottas: „Für die pflegenden Angehörigen wäre eine Ansprechperson für alle Fragen wie ein Coach.“ Die Studie erschien jetzt in der Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie.
Foto: Ocskay Mark