Pflegeheimbewohner am Lebensende unnötig ins Krankenhaus eingewiesen

– Foto: Adobe Stock/MoiraM
Rund jeder dritte binnen eines Jahres verstorbene AOK-Versicherte lebte in einem Pflegeheim. Mehr als die Hälfte davon wurde in den zwölf Wochen vor dem Tod mindestens einmal in ein Krankenhaus verlegt. Das zeigen Routinedaten, die das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) für den Pflege-Report 2022 ausgewertet hat.
Die Verlegung kurz vor dem Lebensende ist für die Betroffenen eine unnötige Belastung. Eine ergänzende Befragung von 550 Pflegefach- und Assistenzpersonen machte die Diskrepanz zwischen Versorgungswunsch und -wirklichkeit im Pflegeheim noch einmal deutlicher.
Pflegeheimbewohner am Lebensende unnötig ins Krankenhaus eingewiesen
Ein wichtiger Indikator für eine qualitativ angemessene Versorgung von Pflegeheimbewohnern vor dem Versterben sind Krankenhauseinweisungen. 2018 und 2019 wurden rund 56 Prozent aller Pflegeheimbewohner innerhalb der zwölf Wochen vor ihrem Lebensende mindestens einmal in ein Krankenhaus verlegt.
Das ist eine im internationalen Vergleich hohe Rate. Die Krankenhausaufenthalte verdichten sich kurz vor dem Tod. Jeder dritte Pflegeheimbewohner befand sich 2018 und 2019 in seiner letzten Lebenswoche für mindestens einen Tag im Krankenhaus, heißt es weiter in einer Pressemitteilung.
Auch Pflegepersonal sieht Einweisung kritisch
20 Prozent des befragten Pflegepersonals erlebten monatlich oder häufiger, dass Bewohnende am Lebensende in ein Krankenhaus eingewiesen werden, obwohl dies aus ihrer Sicht nicht im besten Interesse der Versterbenden ist.
Die Mehrheit gibt an, dass sie beobachten, dass sich auf Druck der Angehörigen das Behandlungsteam für belastende beziehungsweise lebensverlängernde Maßnahmen entschied, obwohl die Patientenverfügung ein anderes Vorgehen nahegelegt hätte.
Vorausschauende Behandlungsplanung noch nicht richtig umgesetzt
"Die als ‘Patientenverfügung‘ verbreiteten Standardformulare geben oft nicht das verlässlich wieder, was die betreffende Person tatsächlich zu dem Thema denkt und wünscht", so Prof. Jürgen in der Schmitten, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Essen.
Schmitten ist Erster Vorsitzender von Advance Care Planning Deutschland (ACP). Das steht für vorausschauende Behandlungsplanung. Doch bei der Umsetzung gibt es noch Probleme. Und schon lange stehe eine Evaluation der an dieses Konzept anknüpfenden Kassenleistung "Gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase" an, so der Mediziner.
Würdevolles Sterben darf nicht an Personalmangel scheitern
Herausforderungen, die für Pflegefachpersonen bei der Versorgung und Begleitung von Menschen am Lebensende bestehen, werden verstärkt durch die Personallsituation. Zwei Drittel der Befragten sehen diese als eher ungenügend an, um die anfallende Arbeit zu erledigen. "Der Anspruch eines würdevollen Sterbens im Heim darf nicht an fehlenden Ressourcen scheitern", betont Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes.
"Palliativ-Kompetenzen von Ärzten und Pflegenden müssen weiterentwickelt, die interprofessionelle Zusammenarbeit intensiviert sowie ausreichend personelle Ressourcen bereitgestellt werden", fordert die AOK-Chefin. Die Integration der Hospizdienste in die Pflegeheime sei eine Chance, dass Menschen und ihre Angehörigen in der letzten Phase gut begleitet werden können.