Pflegefachkräfte: Die Nachfrage schießt in die Höhe

Pflegefachkräfte: In keiner anderen Berufsgruppe der deutschen Volkswirtschaft führt eine Bewerbung so häufig zu einem Vertragsangebot.
Für keine andere Berufsgruppe in Deutschland suchen Arbeitgeber so händeringend Fachkräfte wie in der Pflege. Besonders intensiv gesucht wird Personal für die Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege sowie leitende Mitarbeiter für die Pflegedienst- und Heimleitungen. Das zeigen Zahlen des aktuellen Stepstone-Fachkräfteatlasses. Für diesen Atlas wertet die auf Fach- und Führungskräfte spezialisierte Internet-Jobbörse Stellenanzeigen auf allen relevanten Print- und Online-Plattformen in Deutschland aus. Das vielleicht spektakulärste Einzelergebnis: Die Nachfrage nach Pflegefachkräften ist in den vergangenen fünf Jahren um 158 Prozent gestiegen. Politischer Hintergrund: Zum Jahresbeginn 2019 ist das „Pflegepersonal-Stärkungsgesetz“ in Kraft getreten, das in der Kranken- und Altenpflege für eine bessere Personalausstattung und bessere Arbeitsbedingungen sorgen soll. 70 Millionen Euro aus dem Fundus der deutschen Krankenkassen sollen hierzu in Kliniken und Pflegeheime fließen.
Jeder sechste Bewerber erhält unterschriftsreifen Vertrag
Dass Arbeitgeber aus der Pflegebranche händeringend nach qualifizierten Fachkräften suchen, zeigt auch die durchschnittliche Einstellungsquote. Stepstone hat zwischen Juli 2016 und Oktober 2018 insgesamt 100.000 Bewerber zu ihrem Bewerbungsverfahren befragt. Alten- und Krankenpfleger erhielten gemessen an der Anzahl an Bewerbungen die mit Abstand meisten Vertragsangebote. In 16 Prozent der Fälle lag ein Arbeitsvertrag im Bewerbungsgespräch unterschriftsreif auf dem Tisch. Zum Vergleich: Bei Marketing-Experten führen nur 2 Prozent aller Bewerbungen zu einem Vertragsangebot.
Pflegefachkräfte können wählerisch sein – und Jobs auch ablehnen
Der Nachfrageboom führt besonders bei Pflegefachkräften dazu, dass sie bei der Auswahl ihres Jobs wählerisch sind. 59 Prozent aller Fachkräfte im Gesundheitswesen haben sich Stepstone zufolge schon einmal gegen eine Bewerbung entschieden, weil der Arbeitgeber nicht glaubhaft kommuniziert hat. "Besonders Arbeitgeber aus dieser Branche müssen schon in der Stellenausschreibung aufzeigen, welche Vorteile sie Mitarbeiter bieten", sagt Stepstone-Geschäftsführer Sebastian Dettmers. "Pflegefachkräfte schauen bei der Suche nach einem Job genau hin, was ihnen geboten wird und wie sich ihr potenzieller Arbeitgeber präsentiert."
Marktwert schlägt sich weiterhin nicht in der Gehaltshöhe nieder
Vom Marktwert der Pflegefachkräfte unbeeindruckt zeigen sich bisher die Gehälter, die Gesundheitseinrichtungen zu zahlen bereit oder in der Lage sind. „Während in den meisten Berufsgruppen ein enormer Mangel an Fachkräften in der Regel auch höhere Durchschnittsgehälter zur Folge hat, profitieren Pflegefachkräfte in dieser Hinsicht bisher kaum vom Nachfrageboom“, sagen die Experten von Stepstone. Laut dem Stepstone-Gehaltsreport 2019 verdient eine Pflegekraft in Vollzeit im Durchschnitt 39.196 Euro brutto im Jahr. Das sind knapp 19.000 Euro weniger als der Durchschnitt aller Fach- und Führungskräfte. Am besten bezahlt werden Fachkräfte in der Krankenpflege, am schlechtesten Pflegehelfer in der Altenpflege – bei erheblichen Unterschieden zwischen einzelnen Bundesländern. Krankenhäuser und soziale Einrichtungen seien offenbar nur bedingt imstande, qualifizierte Pflegekräfte über attraktive Gehälter anzulocken, sagt Stepstone-Chef Dettmers weiter. Deshalb müssten sie mit anderen Vorteilen zu punkten versuchen wie mit flexiblen Arbeitszeiten oder familienfreundlichem Arbeiten.
Über eine Million Pflegekräfte in Deutschland
Nach einer Schätzung des Deutschen Pflegerats sind aktuell zwischen 1 und 1,2 Millionen Beschäftigte in Deutschland in der Alten-, Kranken- sowie der Kinderkrankenpflege tätig. Diese Zahlen beziehen sich nur auf höher qualifizierte Pflegekräfte, die mindestens eine dreijährige Ausbildung durchlaufen haben. Die genaue tatsächliche Anzahl aller in Deutschland in der Pflege tätigen Personen lässt sich nur schwer beziffern. Es gibt keine Institution, die die Daten an zentraler Stelle für alle Pflegebereiche, Berufsbilder oder Qualifikationsniveaus systematisch erfassen würde.
Nach einer Expertise des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) könnten im Jahr 2035 in den Pflege- und Gesundheitsberufen rund 270.000 Fachkräfte fehlen. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung rechnet sogar mit einer Lücke von 500.000 Vollzeitkräften, wenn sich die Zahl der Pflegebedürftigen bis dahin so sehr erhöhen wird wie prognostiziert.
Foto: AOK-Mediendienst