Pflege: Versorgung im Quartier vernetzen
„In den heutigen Strukturen ist der Versorgungsbedarf von Morgen nicht zu decken.“ Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter in Nordrhein-Westfalen, nennt gute Gründe, über vorherrschende Versorgungsstrukturen in der Pflege neu nachzudenken: Bis zum Jahr 2030 werden in Nordrhein-Westfalen 27,4 % mehr über 65-Jährige leben, bei den über 80-Jährigen sind es sogar 41,5 %. Bis 2050 wird sich der Pflegebedarf im Land – auch aufgrund gestiegener Demenzerkrankungen – verdoppeln, so die Ministerin.
Netzwerk für neue Versorgungsstrukturen in der Pflege
Damit alte Menschen möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung und im gewohnten Umfeld eigenständig leben und mit Hilfeleistungen und Pflegeangeboten unterstützt werden können, ist ein Umdenken bei der Entwicklung von Versorgungsstrukturen erforderlich – insbesondere vor dem Hintergrund des prognostizierten Fachkräftemangels und knapper Kassen in den sozialen Sicherungssystemen. Die NRW-Landesregierung hat im Juni einen "Masterplan altengerechte Quartiere" vorgestellt. Jetzt lenkte Ministerin Steffens die Aufmerksamkeit auf eines der Leuchtturmprojekte.
LoVe - Lokale Verantwortungsgemeinschaften in Quartieren qualifiziert Fach- und Führungskräfte aus Sozialunternehmen, engagierte Bürger aber auch ältere Pflegefachkräfte, die nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten. Ziel ist der systematische Ausbau ambulanter Angebote, die Positionierung von Reha- und Präventionsleistungen für pflegebedürftige alte Menschen und ein Netzwerk von Unterstützungsangeboten im Wohnquartier.
Gegen den Mainstream der Finanzierungslogik
Träger von Pflegeheimen, wie das Evangelische Johanneswerk in Bielefeld, unterstützen diese Idee der quartiersnahen Versorgung und streben eine Öffnung der stationären Pflege ins Quartier an. „Wir können aus dem Pflegeheim verschiedene Kompetenzen einbringen wie Gastronomie und Hauswirtschaft aber auch Pflegeleistungen“, erklärt Dr. Bodo de Vries, Vorstand des Evangelischen Johanneswerks. Noch hemmt das Gesetz den Aufbau neuer Versorgungsstrukturen: „Bisher ist es viel leichter, staatliche Unterstützung für stationäre Pflege zu bekommen.“
„Neue, zukunftsweisende Wohn- und Assistenzangebote sind möglich, tragfähig und finanzierbar. Die Herausforderungen, die aus Hilfs- und Pflegebedürftigkeit der älteren Nachbarn erwachsen, werden innerhalb des Quartiers gelöst und dabei neue lokale Kooperationsformen entwickelt“, erklärt Ministerin Steffens.
Das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung hat die ökonomischen und sozialen Effekte von acht quartiersbezogenen Projekten untersucht und sieht als Ergebnis mehr Lebensqualität, eine bessere gesundheitliche Entwicklung, geringeren Hilfebedarf und daraus resultierende deutliche Kostenvorteile.
Foto: © Peter Maszlen/ fotolia.com