Pflege: Meilenstein der Entbürokratisierung vorgelegt
„Was Pflegekräfte wirklich brauchen, ist Zeit für die Pflege." Das machte Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, auf der Abschlusstagung des Projekts "Praktische Anwendung des Strukturmodells - Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation" jetzt in Berlin deutlich.
Im Projekt des Bundesgesundheitsministeriums haben 26 stationäre Pflegeeinrichtungen und 31 ambulante Pflegedienste seit September 2013 eine einfachere Dokumentation im praktischen Alltag getestet. Stroppe ist begeistert: „Das Ergebnis des Projekts ist beeindruckend. Die fachlichen Standards und die Qualität wurden erhalten; der Umfang der Pflegedokumentation wurde reduziert".
Entbürokratisierung: Die Zeit ist reif für eine Lösung
„Die Zeit ist reif für eine Lösung“, zeigt sich Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS), mit Blick auf die Qualitätsprüfungen der Pflegeeinrichtungen zuversichtlich. Der MDS sehe die vorgeschlagene Grundstruktur einer Pflegedokumentation als zielführend an und trage sie mit. Einen „Meilenstein der Entbürokratisierung“ sieht Werner Hesse, Geschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, im Ergebnis.
Für Franz Wagner, Vize-Präsident des Deutschen Pflegerats (DPR), ist klar: Die Pflegedokumentation kann dadurch auf ein vernünftiges Maß zurückgeführt werden. Für Wagner rückt damit die Fachlichkeit der einzelnen Pflegenden wieder stärker in den Vordergrund. Das befördere deren berufliches Selbstbewusstsein und sei für diese ein enormer Motivationsschub.
Einzelleistungsnachweise in der Grundpflege können in der stationären Pflege wegfallen
„Wir wollten keine Musterdokumentation, sondern eine Empfehlung für eine Grundstruktur der Pflegedokumentation vorlegen", macht Elisabeth Beikirch deutlich. Sie ist im Bundesgesundheitsministerium die Ombudsfrau zur Entbürokratisierung der Pflege und ist verantwortlich für das Projekt. Bei der neuen Grundstruktur gehe es um die Beschränkungen der Aufzeichnungen im Pflegebericht auf die Abweichungen in der Routineversorgung. So können Einzelleistungsnachweise in der Grundpflege bei stationärer Pflege wegfallen – sofern verbindliche Vorgaben im internen Qualitätsmanagement und standardisierte Leistungsbeschreibungen vorliegen. Nicht verzichtbar sei der Einzelnachweis jedoch bei Leistungen der Behandlungspflege und in der ambulanten Pflege – sofern dieser bei letzterer für die Leistungsabrechnung benötigt werde, erläutert die Entbürokratisierungsexpertin.
Die Grundstruktur der neuen Pflegedokumentation, so Beikirch weiter, basiere auf den vier Elementen „strukturierte Informationssammlung, einer individuellen Maßnahmenplanung, dem Pflegebericht – in dem Abweichungen zum normalen Pfleggeschehen beschrieben werden – und der Steuerung durch gezielte individuelle Evaluationsdaten".
Der Bund und die Länder müssen klar sagen, dass es dauerhaft weitergeht
Die strukturierte Informationssammlung ist dabei für die Ombudsfrau das entscheidende Element. „Diese enthält eine klare Botschaft an die Klienten: Wir gehen auf ihre Erwartungshaltung ein", macht Beikirch die neue Ausrichtung der Dokumentation deutlich.
Wie geht es weiter? Wird es eine Rechtsverordnung zur Einführung der Grundstruktur der Dokumentation geben – eher unwahrscheinlich. Von der Wissenschaft abgelehnt wird ein Expertenstandard Dokumentation. Möglich sei jedoch eine rechtliche Regelung zur Verständigung auf eine verbindliche Grundstruktur in den Grundsätzen und Maßstäben gem. § 113 SGB XI, fasst Beikirch die Möglichkeiten zusammen, ohne abschließend zu werten. Im ersten Schritt erhofft sie sich jetzt im März eine Grundsatzstellungnahme des Lenkungsgremiums zum Projekt und die Herstellung von Verbindlichkeit für die Grundstruktur der Pflegedokumentation in diesem.
Beikirch wirbt für eine Breitenwirkung in Zusammenarbeit mit allen weiteren Beteiligten und mit Unterstützung des Bundes und der Länder. „Diese müssen klar sagen, dass es dauerhaft weitergeht. Hierüber brauchen wir einen Diskurs." Entscheidend sei eine breit angelegte Implementierungsstrategie und Qualifizierungsoffensive. Denn Beikirch weiß: „Jahrelange „Fehlentwicklungen" lassen sich nicht ad hoc beseitigen". Für die Ombudsfrau geht es dabei um die Schaffung einer Vertrauenskultur und um die „Herstellung von Normalität". Denn, so Beikirch, dokumentiert werden soll nicht für die Prüfinstanzen.
Pflege aus der Akte zurück zum Patienten verlagern
„Wir haben es geschafft, die Pflege aus der Akte zurück zum Patienten zu verlagern", zeigt sich angesichts der Projektergebnisse Thomas Meißner, Vorstandsmitglied des AnbieterVerbands qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG), zuversichtlich. „Eins zu eins“ werden die Ergebnisse auch von Monika Kücking vom GKV-Spitzenverband geteilt. Zusammen mit Dr. Martin Schölkopf vom Bundesgesundheitsministerium ist sie sich einig: „Die Ergebnisse dürfen nicht verpuffen. Es ist wichtig, dass der Prozess jetzt weitergeht“, sagt Schölkopf.
Angesprochen auf die Zeitersparnis durch die strukturierte Informationssammlung, gibt es Zahlen von Prof. Dr. Martina Roes, Universität Witten/ Herdecke. Nach subjektiver Einschätzung liege die Zeitersparnis im Praxistest in der ambulanten Pflege hinsichtlich der Formulare bei mehr als 40 Prozent und hinsichtlich der Datensammlung bei mehr als 35 Prozent. „In der stationären Pflege lagen die geschätzten Werte bei mehr als 50 Prozent bzw. bei mehr als 30 Prozent", sagt Roes.
„Endlich hat die Pflege ein Instrument, das ihre Fachlichkeit anerkennt und ihre Arbeit tatsächlich erleichtert", kann denn auch Herbert Mauel, Geschäftsführer des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), die positiven Meinungen zu den Projektergebnissen zur Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation zusammenfassen.
Der schriftliche Abschlussbericht des Projekts soll im März 2014 vorliegen.
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