Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

„Personalisierte“ Therapien erhöhen Lebenserwartung von Lungenkrebspatienten

Freitag, 30. Mai 2014 – Autor:
Eine Lungenkrebsstudie aus Deutschland wird dieser Tage auch auf dem amerikanischen Krebskongress ASCO für Aufmerksamkeit sorgen: Daten von 5.000 Lungenkrebspatienten zeigen, dass personalisierte Therapien das Leben deutlich verlängern.
„Personalisierte“ Therapien erhöhen Lebenserwartung von Lungenkrebspatienten

Die personalisierte Lungenkrebstherapie zeigt erste Erfolge: Patienten mit EGFR-Mutationen und ALK können heute deutlich länger leben

So genannte „personalisierte“ Therapien haben zu einem Wandel in der Krebsmedizin geführt. Bei vielen Tumorerkrankungen sind heute bereits neue Medikamente verfügbar, die eine spezifische Genveränderung im Tumor gezielt angreifen und damit das Tumorwachstum zumindest für eine gewisse Zeit bremsen können. Das gilt auch für die Behandlung von Lungenkrebs. Vier derartige Medikamente sind in Deutschland derzeit zugelassen, weitere befinden sich in präklinischen und klinischen Studien. Voraussetzung für personalisierte Therapieansätze sind jedoch molekulargenetische Untersuchungen, bei denen bestimmt wird, welche genetische Veränderung zum Wachstum des Tumors geführt haben. Lassen sich an der Gewebeprobe therapeutisch relevante Tumormerkmale nachweisen, können dem Patienten entsprechende zielgerichtete Medikamente gegeben werden. Allerdings sind die Tests in der Versorgungspraxis noch längst nicht Routine, nur an einigen wenigen Lungenkrebszentren werden sie mittlerweile routinemäßig durchgeführt.

Überleben von Patienten mit EGFR-Mutationen verlängerte sich um zwei Jahre

Wie wichtig eine individuelle Diagnostik und Therapie ist, konnte das Netzwerk Genomische Medizin an der Uniklinik Köln zeigen. In der größten Studie ihrer Art führten die Forscher in den Jahren 2010 bis 2013 eine sorgfältige molekulardiagnostische Untersuchung der Gewebeproben von etwa 5.000 Lungenkrebspatienten aus Nordrhein-Westfalen durch. Die Studie ergab, dass die Patienten, die auf Basis der genetischen Diagnose eine personalisierte Therapie erhalten hatten, erheblich davon profitierten.

„Bei Patienten, deren Tumoren sich durch sogenannte EGFR-Mutationen oder ALK-Translokationen auszeichnen, hat sich die Überlebensrate im Vergleich zur klassischen Chemotherapie sogar verdreifacht“, berichtet der Leiter des Netzwerks Prof. Dr. Reinhard Büttner und Direktor der Pathologie an der Uniklinik Köln. Die Studie konnte für Patienten mit EGFR-Mutationen ein 24 Monate längeres Überleben mit dem personalisierten Therapieverfahren nachweisen, für ALK waren es circa 15 Monate. „Daraus leitet sich für uns ab, die molekulare Diagnostik künftig bei der Diagnosesicherung unbedingt zu berücksichtigen. Da wir auch bei anderen Tumor-Erkrankungen ähnliche Erkenntnisse gewonnen haben, werden wir die genetischen Untersuchungen schon bald auf alle Krebspatienten ausweiten“, sagt Prof. Dr. Jürgen Wolf, Ärztlicher Leiter des onkologischen Spitzenzentrums an der Uniklinik Köln, der zusammen mit Büttner das Netzwerk leitet.

Netzwerk ermöglicht Gentypisierung des Tumorgewebes

Entscheidend für den Erfolg bei der personalisierten Therapie im Bereich Lungenkrebs sei der Aufbau eines großen Netzwerkes gewesen, meint Wolf. Nur so habe man den zum Teil schwer kranken Patienten eine personalisierte Therapie schnell zukommen lassen können. „Zum anderen müssen wir die Patienten mit seltenen genetischen Veränderungen auch erst einmal identifizieren“, so Wolf. Und das könne nur eine große hoch spezialisierte Pathologie leisten.

In dem Netzwerk arbeiten mittlerweile rund 50 Kliniken und Onkologen aus ganz Deutschland zusammen. Die Pathologie an der Uniklinik Köln übernimmt dabei die genetische Analyse des Tumorgewebes und berät die behandelnden Ärzte auch bei der Therapieempfehlung, etwa welche Medikamente oder entsprechende klinische Studien verfügbar sind. Rund 3.500 Gewebeproben von Lungenkrebspatienten werden in Köln mittlerweile jedes Jahr untersucht - dies entspricht rund sieben Prozent aller neuen Lungenkrebserkrankungen in Deutschland. Ein Aufwand, der sich offenbar lohnt und daher seit 2011 mit Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert wird. Inzwischen übernimmt die AOK Rheinland/Hamburg als erste gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland die Kosten für die aufwändige Diagnostik.

Wenn sich dieser Tage Krebsmediziner aus aller Welt beim 50. Kongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago treffen, werden auch die Erkenntnisse aus Deutschland Gesprächsthema sein. Im Oktober hatten die Studiendaten bereits auf dem weltgrößten Lungenkrebskongress im australischen Sydney für Aufsehen gesorgt.

Foto: © vege - Fotolia.com

Lesen Sie auch:
  • Lungenkrebs
  • Personalisierte Medizin bei Lungenkrebs
  • Biomarker beim Lungenkrebs
  • Die molekulargenetische Diagnostik
  • Zielgerichtete Medikamente in der Lungenkrebstherapie
Hauptkategorien: Gesundheitspolitik , Medizin
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Krebs , Lungenkrebs , Personalisierte Medizin , Antikörper

Weitere Nachrichten zum Thema Lungenkrebs

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin