„Personalisierte“ Therapien erhöhen Lebenserwartung von Lungenkrebspatienten
So genannte „personalisierte“ Therapien haben zu einem Wandel in der Krebsmedizin geführt. Bei vielen Tumorerkrankungen sind heute bereits neue Medikamente verfügbar, die eine spezifische Genveränderung im Tumor gezielt angreifen und damit das Tumorwachstum zumindest für eine gewisse Zeit bremsen können. Das gilt auch für die Behandlung von Lungenkrebs. Vier derartige Medikamente sind in Deutschland derzeit zugelassen, weitere befinden sich in präklinischen und klinischen Studien. Voraussetzung für personalisierte Therapieansätze sind jedoch molekulargenetische Untersuchungen, bei denen bestimmt wird, welche genetische Veränderung zum Wachstum des Tumors geführt haben. Lassen sich an der Gewebeprobe therapeutisch relevante Tumormerkmale nachweisen, können dem Patienten entsprechende zielgerichtete Medikamente gegeben werden. Allerdings sind die Tests in der Versorgungspraxis noch längst nicht Routine, nur an einigen wenigen Lungenkrebszentren werden sie mittlerweile routinemäßig durchgeführt.
Überleben von Patienten mit EGFR-Mutationen verlängerte sich um zwei Jahre
Wie wichtig eine individuelle Diagnostik und Therapie ist, konnte das Netzwerk Genomische Medizin an der Uniklinik Köln zeigen. In der größten Studie ihrer Art führten die Forscher in den Jahren 2010 bis 2013 eine sorgfältige molekulardiagnostische Untersuchung der Gewebeproben von etwa 5.000 Lungenkrebspatienten aus Nordrhein-Westfalen durch. Die Studie ergab, dass die Patienten, die auf Basis der genetischen Diagnose eine personalisierte Therapie erhalten hatten, erheblich davon profitierten.
„Bei Patienten, deren Tumoren sich durch sogenannte EGFR-Mutationen oder ALK-Translokationen auszeichnen, hat sich die Überlebensrate im Vergleich zur klassischen Chemotherapie sogar verdreifacht“, berichtet der Leiter des Netzwerks Prof. Dr. Reinhard Büttner und Direktor der Pathologie an der Uniklinik Köln. Die Studie konnte für Patienten mit EGFR-Mutationen ein 24 Monate längeres Überleben mit dem personalisierten Therapieverfahren nachweisen, für ALK waren es circa 15 Monate. „Daraus leitet sich für uns ab, die molekulare Diagnostik künftig bei der Diagnosesicherung unbedingt zu berücksichtigen. Da wir auch bei anderen Tumor-Erkrankungen ähnliche Erkenntnisse gewonnen haben, werden wir die genetischen Untersuchungen schon bald auf alle Krebspatienten ausweiten“, sagt Prof. Dr. Jürgen Wolf, Ärztlicher Leiter des onkologischen Spitzenzentrums an der Uniklinik Köln, der zusammen mit Büttner das Netzwerk leitet.
Netzwerk ermöglicht Gentypisierung des Tumorgewebes
Entscheidend für den Erfolg bei der personalisierten Therapie im Bereich Lungenkrebs sei der Aufbau eines großen Netzwerkes gewesen, meint Wolf. Nur so habe man den zum Teil schwer kranken Patienten eine personalisierte Therapie schnell zukommen lassen können. „Zum anderen müssen wir die Patienten mit seltenen genetischen Veränderungen auch erst einmal identifizieren“, so Wolf. Und das könne nur eine große hoch spezialisierte Pathologie leisten.
In dem Netzwerk arbeiten mittlerweile rund 50 Kliniken und Onkologen aus ganz Deutschland zusammen. Die Pathologie an der Uniklinik Köln übernimmt dabei die genetische Analyse des Tumorgewebes und berät die behandelnden Ärzte auch bei der Therapieempfehlung, etwa welche Medikamente oder entsprechende klinische Studien verfügbar sind. Rund 3.500 Gewebeproben von Lungenkrebspatienten werden in Köln mittlerweile jedes Jahr untersucht - dies entspricht rund sieben Prozent aller neuen Lungenkrebserkrankungen in Deutschland. Ein Aufwand, der sich offenbar lohnt und daher seit 2011 mit Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert wird. Inzwischen übernimmt die AOK Rheinland/Hamburg als erste gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland die Kosten für die aufwändige Diagnostik.
Wenn sich dieser Tage Krebsmediziner aus aller Welt beim 50. Kongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago treffen, werden auch die Erkenntnisse aus Deutschland Gesprächsthema sein. Im Oktober hatten die Studiendaten bereits auf dem weltgrößten Lungenkrebskongress im australischen Sydney für Aufsehen gesorgt.
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