Organspende-Skandal: Verdacht auf fahrlässige Tötung
Nachdem bekannt geworden war, dass ein Oberarzt am Universitätsklinikum Göttingen Krankenakten manipuliert haben soll, um ausgewählten Patienten zu einer Spenderleber zu verhelfen, hat sich mittlerweile der Verdacht erhärtet, dass noch ein weiterer Arzt an den Manipulationen beteiligt war. Gegen den Mann wurden ebenfalls Ermittlungen eingeleitet. Vom Dienst ist er vorläufig freigestellt worden. Bisher wurde gegen beide Ärzte wegen Bestechlichkeit ermittelt. Nun sieht die Braunschweiger Staatsanwaltschaft auch den Verdacht auf fahrlässige Tötung in 23 Fällen gegeben.
Da durch die Manipulationen von Labordaten bestimmte Patienten auf der Warteliste von Eurotransplant weiter nach vorne gerückt sind, ist es möglich, dass andere Erkrankte nicht rechtzeitig eine Spenderleber erhalten haben und daher verstorben sind. Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, würde es sich nicht nur um einen Verstoss gegen das Transplantationsgesetz und gegebenenfalls Bestechlichkeit handeln, sondern auch um fahrlässige Tötung. Die Motive der beiden Ärzte sind nach wie vor unklar. Es konnte auch noch nicht nachgewiesen werden, dass Geld als Gegenleistung an die Mediziner geflossen ist.
Konsequenzen des Organspende-Skandals gefordert
Die Staatsanwaltschaft rechnet nicht damit, bei ihren Ermittlungen zu schnellen Ergebnissen zu kommen. Unterdessen fordern Politiker, Ärzte und Patientenvertreter Konsequenzen aus dem Organspende-Skandal. Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. Frank Ulrich Montgomery, erklärte gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS), es müsse geklärt werden, ob die Selbstkontrolle in den Kliniken ausreichend funktioniere. Zudem sieht er als Folge des Skandals einen "schweren Vertrauensverlust" für die Praxis der Organspende. Dieses Vertrauen werde nur schwer wieder herzustellen sein.
Mittlerweile wurden die Kontrollen der Abläufe des Organspendesystems am Universitätsklinikum Göttingen verschärft. So gilt nun das "Vier-Augen-Prinzip" für die Labordaten, die zu Eurotransplant geschickt werden. Bekannt geworden sind die Vorgänge, nachdem ein anonymer Anrufer Hinweise auf Unregelmässigkeiten gegeben hatte. Durch die nachfolgenden Untersuchungen ergab sich, dass durch Manipulationen von Untersuchungsergebnissen der Zustand bestimmter Patienten als schwerwiegender dargestellt wurde als er war. Zudem soll es im Fall des Oberarztes auch schon an einer Klinik, an der er früher gearbeitet hat, zu Unregelmässigkeiten gekommen sein.
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