Operation nach Schlaganfall ist lebensrettend
Eine Studie an dreizehn deutschen Schlaganfallzentren zeigt: Werden Patienten, die älter als 60 Jahre sind und einen großen Schlaganfall durch Verschluss der mittleren Hirnarterie erlitten haben, innerhalb von 48 Stunden operiert, verdoppeln sich ihre Überlebenschancen. Bei dem Eingriff namens Hemikraniektomie wird die Schädeldecke über dem betroffenen Hirngewebe entfernt, wodurch das Gehirn von erhöhtem Druck entlastet wird. Die unter Federführung der Neurologischen und der Neurochirurgischen Universitätsklinik Heidelberg durchgeführte Studie zeigt aber auch, dass die operierten Patienten oft mit stärkeren Behinderungen überleben, während die Patienten ohne Operation in der Regel früh versterben.
„Erstmals ist damit auch bei einer älteren Patientengruppe wissenschaftlich belegt, dass die Hemikraniektomie Leben retten kann", erklärt Professor Dr. Werner Hacke, Ärztlicher Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg. Vorausgegangene Studien hätten bereits gezeigt, dass sich bei Patienten unter 60 Jahren die Überlebenschancen durch die Operation sogar verdreifachten. Außerdem blieben bei jüngeren Patienten nur selten schwere Behinderungen.
Wirksamkeit der Hemikraniektomie bei jüngeren Patienten längst belegt
Der Verschluss der mittleren Hirnarterie führt nach Angaben des Neurochirurgen bei nahezu 80 Prozent aller Patienten ohne Operation in wenigen Tagen zum Tod, selbst bei maximaler konservativer intensivmedizinischer Behandlung. Ursache für die schlechte Prognose ist eine Gehirnschwellung und der damit verbundene massive Anstieg des Schädelinnendrucks. Dadurch wird lebenswichtiges Gehirngewebe zerstört. „Die Entlastungsoperation verschafft dem geschwollenen Hirngewebe in der kritischen Phase Raum“, erklärt Professor Dr. Andreas Unterberg, Ärztlicher Direktor der Neurochirurgischen Universitätsklinik Heidelberg. Das freigelegte Gehirn werde mit schützender Hirnhaut bedeckt; nach Rückgang der Hirnschwellung die Schädeldecke wieder eingesetzt.
Da die Hemikraniektomie geringe Risiken birgt und ihre Wirksamkeit bereits bei jüngeren Patienten belegt wurde, wird sie inzwischen an vielen Schlaganfallzentren als Standardtherapie eingesetzt. Die Sterblichkeit konnte bei jüngeren Patienten durch die Operation von über 70 Prozent auf etwa 20 Prozent reduziert werden.
Nicht jeder will mit schwerer Behinderung weiterleben
Bei älteren Patienten wurde laut der neuen Heidelberger Studie die Sterblichkeit von 70 auf 33 Prozent gesenkt. Allerdings lebte jeder dritte Patient fortan mit einer schweren Behinderung. Ob das wünschenswert ist, ist eine andere Frage. Dazu Neurochirurg Hacke: "Ein Überleben mit schwerer Behinderung wird besonders in höherem Lebensalter von vielen Patienten nicht akzeptiert. Daher muss gerade bei älteren Patienten mit den Betroffenen und ihren Angehörigen im Einzelfall gut abgewogen werden, ob diese Behandlung gewünscht wird." Neurochirurgen und Neurologen sollten daher gemeinsam mit Patienten und ihren Angehörigen eine solche Therapie besprechen. „Vielleicht gelingt es in weiteren Studien, herauszufinden, welche älteren Patienten besonders von der Hemikraniektomie profitieren“, so Hacke.
Die Studie wurde in der aktuellen Ausgabe des New England Journal of Medicine unter dem Titel „Hemicraniectomy in Older Patients with Extensive Middle-Cerebral-Artery Stroke“ veröffentlicht.
Foto: © Kzenon - Fotolia.com