
Halten die teuren Krebsmedikamente den Alltagsbedingungen Stand? Eine späte Nutzenbewertung könnte mehr Klarheit schaffen
In der Krebsmedizin explodieren die Kosten. Gleichzeitig ist vielfach noch unklar, welche Patienten von den neuen, teuren Therapien überhaupt profitieren. Ein Problem, das auch die drei onkologischen Fachgesellschaften aus Deutschland, Österreich und der Schweiz auf ihrer gemeinsamen Jahrestagung in Stuttgart Anfang Oktober beschäftigte.
Zunehmend werde deutlich, dass sich aus Innovationen immer auch große Herausforderungen ergeben, hieß es. Dazu gehörten unter anderem die Diskussion über die Notwendigkeit einer „späten“ Nutzenbewertung, die Sicherstellung des Zugangs zu neuen Arzneimitteln und die Aspekte der Finanzierbarkeit innovativer Therapien.
Nutzenbewertung nur für Neuzulassungen
Neu zugelassene Krebsmedikamente müssen sich seit dem Jahr 2011 einer frühen Nutzenbewertung unterziehen. Nur wenn ein Zusatznutzen gegenüber anderen Therapien nachweisbar ist, darf der Hersteller einen höheren Preis verlangen. Für Medikamente die schon länger auf dem Markt sind, gibt es eine solche Bewertung nicht. Aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) wäre aber auch eine „späte“ Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesauschuss (G-BA) notwendig. Hintergrund ist, dass sich der therapeutische Stellenwert neuer Arzneimittel zum Zeitpunkt der Markteinführung nur begrenzt bestimmen lässt. Denn zulassungsrelevante Studien bilden nicht den klinischen Alltag ab.
Zwar begrüße die DGHO das Verfahren der frühen Nutzenbewertung als Instrument zur Preisfindung ausdrücklich, sagte der Geschäftsführende Vorsitzende Prof. Carsten Bokemeyer. Ebenso sinnvoll aber eine späte Nutzenbewertung. Diese könnte etwa auf der Basis von Daten aus Versorgungsregistern und durch unabhängige klinische Studien – finanziert von Bund und Krankenkassen – umgesetzt werden. Die Forderung der DGHO ist nicht neu. Schon lange plädiert die Fachgesellschaft für eine Weiterentwicklung des Nutzenbewertungsverfahrens.
Studien unter Alltagsbedingungen
Im Nationalen Krebsplan ist festgeschrieben ist, dass alle Krebspatienten einen fairen und schnellen Zugang zu nachweislich wirksamen innovativen Krebstherapien erhalten sollen. „Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, dann gibt es eine Menge zu tun“, betonte Bokemeyer. Dazu gehören seiner Ansicht nach eben auch der zeitnahe Nachweis der Wirksamkeit neuer Therapieoptionen unter Alltagsbedingungen und die zuverlässige anbieterunabhängige und zeitnahe Bewertung neuer Krebsarzneimittel nach der Zulassung.
Mehr Versorgungsforschung müsste eigentlich im Sinne der Krankenkassen sein. Nach dem aktuellen Barmer-Arzneimittelreport sind die Kosten für Krebsmedikamente zwischen 2011 und 2016 um 41 Prozent gestiegen. Bei manchen Tumorentitäten sind die Behandlungskosten regelrecht explodiert: Laut Report haben sich die Therapiekosten zur medikamentösen Behandlung von Patienten mit Hautkrebs in fünf Jahren fast verachtfacht. Ein realistisches Preis-Leistungsverhältnis können die Autoren des Arzneimittelreports indes nicht erkennen. Die Zahlen beziehen sich auf Barmer-Versicherte in der ambulanten Versorgung, können aber als repräsentativ angesehen werden.
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