Östriol mögliche Zusatztherapie bei MS
Östriol ist ein weibliches Geschlechtshormon, das in der Schwangerschaft eine wichtige Rolle spielt. Forscher vermuten, dass Östriol das mütterliche Immunsystem verändert und dafür sorgt, dass der Fötus nicht als Fremdkörper vom Organismus der Mutter abgestoßen wird. In Tiermodellen und ersten klinischen Studien hatten sich zudem Hinweise auf antientzündliche und neuroprotektive Wirkungen ergeben.
Nun haben Forscher gezeigt, dass diese Immunmodulation auch das Fortschreiten des Krankheitsverlaufs bei Multiple Sklerose (MS) bremsen kann. Wie Professor Rhonda Voskuhl von der Universität Los Angeles auf der diesjährigen Jahrestagung der American Academy of Neurology (AAN) berichtete, sank in einer Studie die Schubrate bei MS-Patientinnen während der Schwangerschaft um etwa 75 Prozent, stieg danach aber umso stärker wieder an.
Schubraten bei MS unter Östriol geringer
Voskuhl hat nun in einer größeren Studie die Wirkung von künstlichem Östriol bei 164 Frauen mit aktiver MS überprüft. Bei allen Frauen waren in den vergangenen zwei Jahren neue Schübe aufgetreten oder es ließen sich neue Läsionen im Magnetresonanztomographen (MRT) nachweisen. Zunächst wurden bei den Probandinnen alle bisherigen MS-Medikamente abgesetzt. Danach erhielten die Frauen über eine Zeitraum von zwei Jahren eine Standardtherapie mit Glatirameracetat. Zusätzlich erhielt die eine Hälfte der Patientinnen über denselben Zeitraum acht Milligramm Östriol pro Tag, die andere Hälfte ein Placebo.
Es zeigte sich, dass die durchschnittliche Schubrate in der Gruppe mit der Östriol-Kombitherapie nach einem Jahr um 45 Prozent geringer war als in der Placebogruppe. Nach zwei Jahren hatten sich beide Gruppen allerdings angeglichen – die Unterschiede waren nicht mehr signifikant. Die Forscher vermuten daher, dass es unter der Kombinationstherapie von Glatirameracetat und Östriol zu einer schnelleren Verbesserung als unter der Monotherapie kommt.
Neuroprotektive Wirkung von Östriol?
Überraschend war der Effekt der Östriol-Therapie auf den EDSS-Wert, der den Grad der Behinderung bei Multipler Sklerose angibt. Er war in der Placebo-Gruppe über den gesamten Zeitraum hinweg konstant geblieben, in der Östriol-Gruppe aber kontinuierlich gesunken. Dies könnte ein Hinweis auf neuroprotektive Eigenschaften der Hormontherapie sein.
Die Östriol-Therapie ist gut verträglich, wie die Studienautoren berichten. Schwere Nebenwirkungen traten kaum auf, allerdings zeigten knapp 25 Prozent der Frauen unter Östriol eine irreguläre Menstruation. Das Krebsrisiko unter der Hormontherapie hält Studienleiterin Voskuhl für sehr gering.
Schon im Jahr 2002 wurde über Östriol als Therapieoption bei MS berichtet. Die aktuelle Studie bestätigt die Vermutungen nun. Somit könnte Östriol in Zukunft eine sinnvolle Möglichkeit als Zusatztherapie bei MS darstellen.
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