Nur noch 1.600 Intensivbetten frei: Mediziner fordern harten Lockdown in den Osterferien

Intensivmediziner: „Wir rennen sehenden Auges ins Verderben“ – Foto: © Adobe Stock/Robert Kneschke
Deutschland befindet sich in der dritten Welle der Pandemie. Das bekommen vor allem die Intensivstationen zu spüren. Zwischen dem 10. und dem 28. März ist die Zahl der Intensivpatienten von 2.727 auf 3.448 gestiegen. „Diese Zahl wird die kommenden zweieinhalb Wochen weiter exponentiell wachsen, egal was wir jetzt tun“, sagt Professor Christian Karagiannidis, Leiter des deutschen Intensivregisters DIVI. Nur ein harter Lockdown könne jetzt noch eine völlige Überlastung der Intensivstationen verhindern, so der Intensivmediziner von der Lungenklinik Köln-Merheim. „Deutschland braucht kein Bergamo oder Szenarien wie in New York mit Patienten auf dem Fußboden, die sich zu zweit ein Beatmungsgerät teilen müssen.“
Nicht die Zeit, über Lockerungen nachzudenken
Viel Spielraum bleibt nicht. Bei mehr als 5.000 COVID-19-Patienten geraten die Intensivstationen langsam an ihre Kapazitätsgrenzen. Und dieser kritischen Marke nähert sich Deutschland rasant. „Wir rennen sehenden Auges ins Verderben“, sagt der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Professor Gernot Marx. „Wir müssen von den hohen Zahlen runter! Jetzt. Augenblicklich."
Bei Inzidenzen von 125, einem R-Wert von 1,2 und exponentiell steigenden COVID-19-Patieten auf den Intensivstationen könne man nicht über weitere Lockerungen nachdenken, nur weil die Bevölkerung des Lockdowns müde sei. „Zwei oder drei Wochen harten Lockdown – das lässt sich ab Montag über die Osterferien gut realisieren“, sagt Marx. Das werde zahlreiche Menschenleben retten und noch viel mehr vor lebenslangen Langzeitfolgen durch COVID bewahren.
Harter Lockdown nur eine Frage der Zeit
Für die Intensivmediziner ist es nicht die Frage ob, sondern wann der harte Lockdown kommt. „Wir kommen an einem harten Lockdown für etwa zwei, drei Wochen gar nicht vorbei“, sagt Karagiannidis mit Blick auf das DIVI-Prognosemodell. Das Modell zeigt mögliche Verläufe auf. Danach sind 4.500 belegte Intensivbetten unvermeidbar. Wird dann ein harter Lockdown beschlossen, könnte die Kurve knapp über 5.000 die Kurve wieder sinken. „Warten wir noch länger, und stoppen erst bei einer Inzidenz von 300 Ende April oder Anfang Mai, werden wir mehr als 6.000 Menschen mit COVID-19 auf Intensivstationen sehen“, prophezeit Karagiannidis.
In Thüringen sind jetzt schon die Intensivbetten knapp
Schon Anfang Januar haben deutsche Intensivstationen rund 6.000 Corona-Patienten versorgen müssen. Die Bevölkerung habe damals gar nicht mitbekommen, wie knapp es war, sagt Professor Steffen Weber-Carstens von der Charité. Zahlreiche Menschen seien hier aus dem Osten oder der Mitte Deutschlands nach Norden geflogen worden. „Ein Kraftakt, den wir geschafft haben – aber drei Monate später nicht gleich noch einmal brauchen.“ Diese Woche hatte Weber-Carstens bereits die ersten Anfragen für überregionale Verlegungen auf dem Tisch. Besonders Thüringen ist demnach an seinen Kapazitätsgrenzen angelangt.
DIVI-Präsident Marx appelliert deshalb eindringlich an Politik und Bevölkerung: Keiner wolle einen harten Lockdown. „Wir alle wünschen uns unser altes Leben zurück. Aber wir sind gerade in der wohl kritischsten und entscheidendsten Phase der Pandemie. Harter Lockdown über die Osterferien – weil uns die britische Mutation keine andere Wahl lässt. Und dann können wir bei deutlich niedrigeren Inzidenzen mit Schnelltests, PCR-Tests, Impfungen und Apps wieder öffentliches Leben zulassen.“