Notunterkunft Wilmersdorf: Ohne Ehrenamtliche ginge hier gar nichts
Eigentlich ist hier alles improvisiert. Doch was ehrenamtliche Helfer in der Notunterkunft im alten Rathaus Wilmersdorf auf die Beine gestellt haben, ist höchst professionell organisiert: Es gibt ein Sprechzimmer, ein Wartezimmer und ein Arzneimittellager. Und es gibt die Kinderärztin Mithu Sen, die mit hohem persönlichem Einsatz 30 Ärzte, 20 Pflegekräfte und mehrere Dolmetscher koordiniert. Bloß Geld vom Senat gibt es nicht für die medizinische Versorgung der Flüchtlinge, jedenfalls bislang nicht. Das medizinische Angebot in der Wilmersdorfer Notunterkunft fußt auf Ehrenamt und Spenden. Genauer gesagt auf dem Engagement der Berliner Initiative „Medizin hilft Flüchtlingen“ und der Hilfsorganisationen „Apotheker ohne Grenzen“. Ohne sie würden die meisten der rund 1.000 Flüchtlingsheimbewohner wochenlang ohne medizinische Hilfe bleiben, weil sie noch nicht registriert sind. Etwa 80 Prozent haben (noch) keinen Anspruch auf einen Krankenschein.
Spendenstrom könnte bald abreißen
Krankheiten aber nehmen keine Rücksicht auf Bürokratie. Erschöpfung, Erkältungskrankheiten und fluchtbedingte Verletzungen sind die häufigsten Diagnosen, bei Kindern kommen häufig Lungenentzündungen oder Durchfallerkrankungen hinzu, berichten die Helfer vor Ort. „Die meisten Flüchtlinge sind jung; schwere chronische Krankheiten sind deshalb selten“, sagt Dorothee Giese von „Apotheker ohne Grenzen“, die hier jeden Mittwoch ihr pharmazeutisches Know-how zur Verfügung stellt. Sie kümmert sich zum Beispiel um den Nachschub von Arzneimitteln, organisierte eine Basisausrüstung für die Ärzte und berät bei Dosierungsfragen. „Es sind auch Babys und Kleinkinder unter den Patienten“, sagt Giese.
Viele der Medikamente, die nach Indikationen sortiert in den Regalen der kleinen Wilmersdorfer „Apotheke“ liegen, wurden vom Berliner Apothekerverein gespendet. Was darüber hinaus benötigt wird, kaufen ehrenamtliche Helfer wie Giese mit Spendengeldern von „Apotheker ohne Grenzen“ ein. Bundesweit hat die Hilfsorganisation bereits Medikamente im Wert von über 40.000 Euro für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt. „Das, was wir hier leisten, passiert ohne jede staatliche Unterstützung“, betont die Apothekerin. Sie und ihre Kollegen befürchten, dass der Spendenstrom bald abreißen könnte und hoffen auf die längst überfällige Finanzierung durch den Senat.
Unbestätigten Angaben zufolge könnte dies ab Januar endlich so weit sein. Immerhin hat der Senat kürzlich den Kostenaufwand bei den beiden ehrenamtlichen Organisationen abgefragt. Und die haben bereits geliefert: Vorgerechnet, was der Personaleinsatz, die Arzneimittel, Hilfsmittel und Blutentnahmen kosten. Auch die gelegentlichen Krankentransporte kamen mit auf die Liste.
Ehrenamtliche Ärzte kooperieren mit Krankenhäusern
Nicht alles können die Ärzte und Apotheker vor Ort lösen. Bei ernsten Krankheiten oder einem Verdacht darauf schicken sie die Patienten ins Krankenhaus. Das funktioniere sehr gut, berichtet einer der ehrenamtlichen Ärzte, der seit Mitte Oktober für „Medizin hilft Flüchtlingen“ tätig ist. Für den Allgemeinmediziner im Ruhestand ist die Aufgabe eine Ehrensache – so wie für die vielen anderen ehrenamtlichen Helfer auch. Einmal hätten die Ärzte eine junge Frau wegen Bauchschmerzen ins Krankenhaus schicken müssen, wo sie dann wegen eines Tumors im Bauch operiert worden sei, erzählt er. Weiter habe es Fälle von insulinpflichtigem Diabetes, entzündlichem Rheuma und Nierenversagen gegeben. Allen Patienten habe man - gemeinsam mit den Krankenhauskollegen - weiterhelfen können, in einem Fall sogar mit einer Dialyse. „Ohne Motivation ginge hier gar nichts“, meint der Mediziner.
„Medizin hilft Flüchtlingen“ ist in Berlin an vier Notunterkünften tätig, „Apotheker ohne Grenzen“ sogar an neun - plus weitere in Hamburg und Rostock. In Wilmersdorf sind die beiden Hilfsorganisationen eine beispielhafte Allianz eingegangen, um, wie es offiziell heißt, „die gröbste Not der Flüchtlinge zu lindern.“