Notaufnahmen spüren den demografischen Wandel
In Notaufnahmen muss schnell gehandelt werden. Doch mit der steigenden Zahl älterer Patienten wachsen auch die Anforderungen an die Notfallmediziner. Viele der älteren Patienten haben ganz unabhängig vom Grund ihrer Einlieferung mehrere Begleiterkrankungen, die berücksichtigt werden müssen. Schon heute ist mehr als jeder Dritte 80 Jahre oder älter. Generell rechnen Experten in den kommenden zehn Jahren mit einer Zunahme der über 80-jährigen Menschen um etwa 25 Prozent. „Das erfordert gewaltige Veränderungen in der Notfallmedizin“, hieß es auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) in Halle (Saale). Die Notaufnahmen von heute seien auf diese Herausforderung noch nicht eingstellt.
Drehtüreffekt in der Notaufnahme
Studien aus Deutschland, den USA und Österreich zeigen alle den gleichen Trend: Es finden sich mehr und mehr ältere, komplex kranke, immobile, sozial unterversorgte Patienten mit einem hohen Betreuungsbedarf in den Notaufnahmen. Problematisch ist dies, weil ältere Menschen besonders gefährdet sind, nach der Entlassung aus der Notaufnahme erneut zu erkranken. „Bis zu 27 Prozent der älteren aus der Notaufnahme entlassenen Patienten, kommen binnen drei Monaten wieder in die Notaufnahme, werden stationär aufgenommen oder sterben“, berichtetet Dr. Georg Pinter, Chefarzt am Klinikum Klagenfurt. Grund hierfür sei ihre allgemein geschwächte Konstitution. Die Ersteinlieferung ins Krankenhaus sei oft nur der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Folgeerkrankungen. Noch kritischer sieht der Geriater die Situation bei Pflegeheimpatienten: Aufgrund unzureichender Vor-Ort-Versorgung müssten sie häufig von A nach B transportiert werden. Eine Belastung, die jene meist ohnehin körperlich, seelisch und geistig beeinträchtigen Menschen zusätzlich anstrenge.
Studien zeigen auch, dass 53 Prozent der Patienten, die nach der Notversorgung stationär aufgenommen werden, älter als 66 Jahre sind. 13 Prozent sind sogar zwischen 86 und 95 Jahre alt.
Apparatemedizin bei Neunzigjährigen nicht immer die beste Lösung
Die Geriater forderten daher strukturelle Veränderungen in der Notfallmedizin und darüber hinaus. Pinter plädierte etwa für eine verstärkte Zusammenarbeit von Kliniken mit niedergelassenen Ärzten, stationärer und ambulanter Pflege, sowie einem rascheren Informationsfluss zwischen allen Behandlungsverantwortlichen. „Es gilt die Kommunikation, den Komfort und die Orientierung der Patienten zu verbessern und das Sturzrisiko zu mindern“, erklärte der Chefarzt aus Klagenfurt. In manchen Fällen sollten Ärzte auch die Apparatemedizin hinterfragen, hieß es weiter. Die richtige Betreuung am richtigen Ort, zur richtigen Zeit und in der richtigen Qualität und Quantität sei eine der ganz großen Herausforderungen der Medizin.
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