Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
 

Notaufnahme: Verschwenden Versicherte Milliarden?

Montag, 25. Juli 2016 – Autor:
Statt zum Arzt gehen viele lieber ins Krankenhaus. Das ist oft überflüssig und teuer, wie das IGES Institut jetzt ausgerechnet hat. Fast fünf Milliarden Euro würden dadurch verpulvert.
Notfallversorgung im Krankenhaus: IGES Studie sieht Verschwendung von Milliarden

Notfallversorgung im Krankenhaus: IGES Studie sieht Verschwendung von Milliarden – Foto: spotmatikphoto - Fotolia

Der Hals tut weh, der Wespenstich schwillt an: Viele Menschen gehen mit ihren Wehwehchen lieber gleich ins Krankenhaus. Dabei könnte in vielen Fällen ein niedergelassener Arzt genauso gut helfen - bloß wird er nicht um Rat gefragt. Dass vermeidbare Notfälle das Gesundheitssystem Milliarden kosten, hat jetzt das IGES Institut im Auftrag des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) ausgerechnet. Insgesamt beziffern die Studienautoren die Kosten auf 4,8 Milliarden Euro. Was die ambulante Versorgung stattdessen gekostet hätte, bleibt aber offen. 

In der Studie wurden speziell die Krankenhausfälle untersucht, die durch eine effektive und rechtzeitige ambulante Versorgung prinzipiell hätten verhindert werden können. 3,453 Millionen solcher Fälle haben die Wissenschaftler ermittelt, darunter sind 1,768 Millionen Fälle mit Aufnahmeanlass Notfall, denen in der Regel keine Einweisung zugrunde liegt.

KV sieht milliardenschwere Fehlsteuerung

„Mehr als die Hälfte aller vermeidbaren Krankenhausfälle werden ohne ärztliche Einweisung aufgenommen“, erklärte der Geschäftsführer des IGES Instituts, Dr. Martin Albrecht bei der Vorstellung der Studie am Freitag in Berlin. Betrachte man das Geschehen an Werktagen, entstehe rund die Hälfte der Aufnahmen ohne ärztliche Einweisung zu den üblichen Praxisöffnungszeiten. „Den deutlichsten Zustrom erhalten Krankenhäuser laut Statistik montags und dienstags tagsüber. Überhaupt liegt an Werktagen die Zahl vermeidbarer Aufnahmen ohne Einweisung zu Praxisöffnungszeiten etwa genauso hoch wie außerhalb der Sprechzeiten“, so Albrecht.

Der Vorstandsvorsitzende des Zi, Dr. Andreas Gassen, sprach von einer milliardenschweren Fehlsteuerung und forderte, die Notfallversorgung neu auszurichten. „Das Geld könnte wesentlich besser investiert werden, um die moderne ambulante Medizin für ein alterndes Deutschland besser bezahlbar zu machen“, sagte Gassen. „Durch die Notaufnahmen der Krankenhäuser wird der gesetzlich verankerte Grundsatz ambulant vor stationär konterkariert“, fügte er hinzu.

 

Kritik an „unseriöser Berechnung“

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat die IGES-Studie unterdessen scharf kritisiert. Eine fehlende Einweisung ins Krankenhaus als Maßstab für angeblich nicht berechtigte Notfallversorgung zu nehmen, sei im höchsten Maße rücksichtslos gegenüber den Nöten der Menschen, erklärte DKG- Präsident Thomas Reumann. Viele Notfälle müssen direkt ins Krankenhaus, weil der Weg über den Arzttermin mit Überweisung eine absolut weltfremde Fiktion sei. „Auf dieser Grundlage 4,8 Milliarden Euro vermeidbare Behandlungskosten auszurechen, ist absolut unseriös“, sagte er. 

Gleichzeitig mahnte Reumann, das Thema dürfe nicht zum Spielball von Verbandsinteressen werden. Für Krankenhäuser gelte: „Wenn ein Patient mit medizinischen Problemen ins Krankenhaus kommt, müssen wir ihn behandeln - unabhängig von Tageszeit und Wochentag.“

Foto: © ep stock - Fotolia.com

Hauptkategorie: Gesundheitspolitik
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Ambulante Versorgung , Krankenhäuser
 

Weitere Nachrichten zum Thema Notaufnahmen

 

Aktuelle Nachrichten

 
Weitere Nachrichten
Die elektronische Patientenakte (ePA) soll bis Ende 2024 kommen - für alle. Die Daten werden pseudonymisiert ausgewertet. Das ist Teil eines von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorgestellten Gesetzes. Die Ärzteschaft fordert Konkretisierungen im Detail.

Die Zahl der Krankenhaus-Fälle ist 2022 im Vergleich zu 2019 um 15 Prozent gesunken - noch stärker als 2020 (minus 13 Prozent) und 2021 (minus 14 Prozent). Das zeigt eine Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).

Der Berliner Corona-Lagebericht informiert weiterhin über die aktuelle Infektionslage in der Stadt und ihren Bezirken. Doch weil sich die Lage geändert hat, hat der Berliner Senat den Bericht nun überarbeitet und den aktuellen Entwicklungen angepasst.
 
Interviews
Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.

Aducanumab ist das erste in den USA zugelassene Medikament, das die Alzheimer typischen Amyloid-Plaques zum Verschwinden bringt. Aber kann der neue monoklonale Antikörper mit dem Handelsnamen Aduhelm auch den Gedächtnisverlust stoppen? Und warum ist die Notfallzulassung in den USA durch die US-Food and Drug Administration (FDA) so umstritten? Darüber hat Gesundheitsstadt Berlin mit dem Neurologen und Alzheimer-Experten Prof. Johannes Levin vom LMU Klinikum München gesprochen.
Logo Gesundheitsstadt Berlin