Notaufnahme: Verschwenden Versicherte Milliarden?

Notfallversorgung im Krankenhaus: IGES Studie sieht Verschwendung von Milliarden – Foto: spotmatikphoto - Fotolia
Der Hals tut weh, der Wespenstich schwillt an: Viele Menschen gehen mit ihren Wehwehchen lieber gleich ins Krankenhaus. Dabei könnte in vielen Fällen ein niedergelassener Arzt genauso gut helfen - bloß wird er nicht um Rat gefragt. Dass vermeidbare Notfälle das Gesundheitssystem Milliarden kosten, hat jetzt das IGES Institut im Auftrag des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) ausgerechnet. Insgesamt beziffern die Studienautoren die Kosten auf 4,8 Milliarden Euro. Was die ambulante Versorgung stattdessen gekostet hätte, bleibt aber offen.
In der Studie wurden speziell die Krankenhausfälle untersucht, die durch eine effektive und rechtzeitige ambulante Versorgung prinzipiell hätten verhindert werden können. 3,453 Millionen solcher Fälle haben die Wissenschaftler ermittelt, darunter sind 1,768 Millionen Fälle mit Aufnahmeanlass Notfall, denen in der Regel keine Einweisung zugrunde liegt.
KV sieht milliardenschwere Fehlsteuerung
„Mehr als die Hälfte aller vermeidbaren Krankenhausfälle werden ohne ärztliche Einweisung aufgenommen“, erklärte der Geschäftsführer des IGES Instituts, Dr. Martin Albrecht bei der Vorstellung der Studie am Freitag in Berlin. Betrachte man das Geschehen an Werktagen, entstehe rund die Hälfte der Aufnahmen ohne ärztliche Einweisung zu den üblichen Praxisöffnungszeiten. „Den deutlichsten Zustrom erhalten Krankenhäuser laut Statistik montags und dienstags tagsüber. Überhaupt liegt an Werktagen die Zahl vermeidbarer Aufnahmen ohne Einweisung zu Praxisöffnungszeiten etwa genauso hoch wie außerhalb der Sprechzeiten“, so Albrecht.
Der Vorstandsvorsitzende des Zi, Dr. Andreas Gassen, sprach von einer milliardenschweren Fehlsteuerung und forderte, die Notfallversorgung neu auszurichten. „Das Geld könnte wesentlich besser investiert werden, um die moderne ambulante Medizin für ein alterndes Deutschland besser bezahlbar zu machen“, sagte Gassen. „Durch die Notaufnahmen der Krankenhäuser wird der gesetzlich verankerte Grundsatz ambulant vor stationär konterkariert“, fügte er hinzu.
Kritik an „unseriöser Berechnung“
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat die IGES-Studie unterdessen scharf kritisiert. Eine fehlende Einweisung ins Krankenhaus als Maßstab für angeblich nicht berechtigte Notfallversorgung zu nehmen, sei im höchsten Maße rücksichtslos gegenüber den Nöten der Menschen, erklärte DKG- Präsident Thomas Reumann. Viele Notfälle müssen direkt ins Krankenhaus, weil der Weg über den Arzttermin mit Überweisung eine absolut weltfremde Fiktion sei. „Auf dieser Grundlage 4,8 Milliarden Euro vermeidbare Behandlungskosten auszurechen, ist absolut unseriös“, sagte er.
Gleichzeitig mahnte Reumann, das Thema dürfe nicht zum Spielball von Verbandsinteressen werden. Für Krankenhäuser gelte: „Wenn ein Patient mit medizinischen Problemen ins Krankenhaus kommt, müssen wir ihn behandeln - unabhängig von Tageszeit und Wochentag.“
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