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Neurologen fordern Schutzhelm für Fußballer

Montag, 18. Oktober 2021 – Autor:
Kopfbälle gehören zu den coolsten Spieltechniken im Fußball – doch sie haben ihren Preis. Eine Studie aus Schottland zeigt: Das Risiko für Profifußballer, später an neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer oder Demenz zu erkranken, ist dreieinhalb mal so hoch wie bei der Allgemeinbevölkerung. Ein Spielertyp ist besonders in Gefahr.
Fußballstadion, Flutlicht: Profifußballer köpft.

Die Summe der vielen leichtgradigen Kopfverletzungen über Jahre bei ruppigen Sportarten wie Fußball, Boxen oder Eishockey kann Spätfolgen haben. – Foto: AdobeStock/Brocreative

Wenn man mit einem Auto mit 50 km/h gegen eine Wand fährt, kann man tot sein. Wenn ein Fußballer einen Ball köpft, spielt er in der Regel weiter, als sei nichts geschehen. Dabei erreichen Schüsse im Fußball viel höhere Geschwindigkeiten. Elfmeterbälle zum Beispiel schießen mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 145 km/h wie Kanonenkugeln auf das Tor zu. Auch wenn es meist zu keinen sichtbaren Verletzungen kommt: Viele kleine Kopferschütterungen über viele Jahre können sich aufaddieren und irgendwann in Hirnschäden äußern –  als „chronisch traumatische Enzephalopathie“ (CTE). Neurologen fordern deshalb jetzt den Kopfschutz – mindestens für Profi-Fußballspieler.

„Neurodegenerative Erkrankungen signifikant höher"

Schon vor zwei Jahren ergab eine Kohortenstudie aus Schottland, dass bei Profifußballspielern die Sterblichkeitsrate durch neurodegenerative Erkrankungen (Parkinson, Alzheimer, weitere Demenzerkrankungen) sowie Motoneuronerkrankungen signifikant höher ist als in Vergleichsgruppen der Allgemeinbevölkerung. Insgesamt fanden sich bei Fußballprofis mehr als dreimal so oft neurodegenerative Hauptdiagnosen auf dem Totenschein (1,7 Prozent statt 0,5 bei allen).

Torwart oder Verteidiger: Wer lebt gefährlicher?

Jetzt gingen die Forscher noch weiter in die Tiefe. Sie untersuchten das Risiko für die Entwicklung neurodegenerativer Erkrankungen im Hinblick auf die Spielfeldposition, die Länge der Berufskarriere und die Geburtsjahrgänge. Neben der Sterbestatistik (Totenscheine) erfolgte die Diagnosefeststellung durch die Verknüpfung individueller Daten zur mentalen Gesundheit, zu Klinikaufenthalten und zu Medikamentenverordnungen im Gesundheitsregister in Schottland.


Wichtigste Ergebnisse der Studie: Bei 386 von 7.676 ehemaligen Berufsfußballspielern lag eine neurodegenerative Erkrankungen vor. In der Kontrollgruppe aus der Allgemeinbevölkerung wurde nur bei 366 von 23.028 Personen derlei Diagnosen registriert. Der Anteil der Betroffenen lag unter den Fußballern bei 5 Prozent – und damit deutlich über dem Wert der Kontrollgruppe von 1,6 Prozent.

Verteidiger fünfmal so oft betroffen wie der Durchschnitt

Am häufigsten, nämlich fünfmal so stark, waren Spieler auf Verteidigungspositionen betroffen. Torhüter hatten verglichen mit der Allgemeinbevölkerung kein signifikant erhöhtes Risiko. Auch die Karrierelänge war mitentscheidend: So war das Risiko am höchsten bei einer Berufskarriere von mehr als 15 Jahren. Hinsichtlich der Geburtsjahrgänge war das Risiko für alle zwischen 1910 und 1969 geborenen Spieler ähnlich.

Auf Dauer gefährlich: Wiederholte, leichtgradige Kopfverletzungen

Die Autoren sehen die Ergebnisse ihrer Studie als Bestätigung der Hypothese, dass wiederholte Kopfverletzungen, auch wenn es sich dabei nicht um schwere Schädel-Hirntraumen handelte, das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen beziehungswese eine „Chronisch-traumatische Enzephalopathie" erhöhen können. Einer US-Studie zufolge war die Exposition im Training größer als in der Wettkampfsituation der eigentlichen Spiele – und zwar auch im Amateursport.

Neurologen fordern „dämpfende Helme“

Aus der Gesamtschau auf diese Erkenntnisse leitet die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) als wissenschaftliche Fachgesellschaft die Forderung ab, dass Maßnahmen zur Prävention beziehungsweise das Erarbeiten von Kopfschutzstrategien dringend geboten seien. „So können Schutzmaßnahmen durchaus sinnvoll sein und haben sich in vielen Risikosportarten bereits etabliert“, sagt DGN-Pressesprecher Hans-Christoph Diener. „Angesichts der Daten sollte nun auch beim Fußball ein Kopfschutz erwogen werden.“ Dies könnten dämpfende Helme sein oder andere neuartige Entwicklungen, wie beispielsweise ein dieses Jahr von der [US-Arzneimittelbehörde, d. Red.] FDA zugelassenes spezielles Stoßschutz-Device.“

Hauptkategorie: Medizin
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