Neues Prognosemodell: Gesundheitssystem wird durch Omikron wohl nicht überlastet
Die Omikron-Welle hat Deutschland eine Sieben-Tage-Inzidenz von über 1000 beschert. Und doch ist die Lage in den Krankenhäusern und auf den Intensivstationen noch handelbar. Dennoch wird weiterhin von offiziellen Stellen vor einer Überlastung des Gesundheitssystems gewarnt. Argumente, dass sich in Großbritannien und anderen Ländern die Fallzahlen längst von den Krankenhauseinweisungen abgekoppelt haben, werden mit der großen Impflücke in Deutschland entkräftet, die das Geschehen nicht vergleichbar mache.
Ein Forscherteam der Uni Marburg und der schweizerischen Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt(Empa) haben nun verschiedene Szenarien für Deutschland und die Schweiz bis Ende März berechnet. In die Modelle eingeflossen sind sowohl die Kapazitäten der jeweiligen Gesundheitssysteme, die Reproduktionszahl, die Zahl der Kontakte sowie der Anteil der Geimpften und Genesenen. Danach bringt Omikron das deutsche Gesundheitssystem wohl nicht an seine Grenzen, und auch nicht das in der Schweiz.
Keine Rekordzahlen auf den Intensivstationen erwartet
„Die Resultate deuten darauf hin, dass die Omikron-Variante keine Rekordzahlen bei den Aufnahmen in Intensivstationen verursachen dürfte – weder in Deutschland noch in der Schweiz; selbst unter ungünstigen Bedingungen“, sagt der verantwortliche Forscher Hossein Gorji.
Um unterschiedliche Gefahrenlagen zu erfassen, betrachteten die Forscher drei Szenarien mit Reproduktionszahlen, die angeben, wie viele Menschen eine infizierte Person im Durchschnitt ansteckt. Sie rechneten mit 1,3, was ungefähr der aktuellen Situation entspricht; außerdem mit einem R-Wert 1,5 und von 1,8 - dem ungünstigsten Fall. In den durchgespielten Szenarien wurde unterstellt, dass in den nächsten Wochen weiterhin Maßnahmen zur Eindämmung des Virus aufrechterhalten bzw. ergriffen werden.
Welle erreicht Anfang März ihren Höhepunkt
Nach den Berechnungen wird Deutschlande einen Höhepunkt bei der Zahl der Infizierten etwa Ende Februar bis Mitte März erreichen. In der Schweiz könnte es schon etwas früher dazu kommen. Dieser hohe Anstieg an Infektionszahlen wird auch Mitarbeiter im Gesundheitswesen betreffen – und hierin sehen die Forscher die eigentliche Gefahr. „Allein die schiere Zahl an Infektionen, so Hossein Gorji, „könnte zu personellen Engpässen führen und auch die Kapazitäten bei COVID-Diagnosen beschränken.“
Mit leichter Verzögerung würden dann auch die Zahlen auf den Normalstationen steigen, wenn die Reproduktionszahl auf über 1,5 ansteigt. «Aber nicht nur Patienten, die primär wegen COVID-19 ins Krankenhaus kommen (mittelschwere Fälle), sondern auch Patienten, die mit anderen Erkrankungen behandelt werden müssen, aber zusätzlich noch infiziert sind», werden laut Harald Renz von der Uni Marburg die Krankenhäuser fordern. „Im Gegensatz dazu erwarten wir keine signifikanten Mehrbelastungen bei den Intensivpatienten über die Bettenauslastung hinaus, die wir gegenwärtig schon haben.“
Zwei Faktoren entschärfen die Situation
Diese Effekte liegen vor allem daran, dass insbesondere Personen mit drei Impfungen relativ gut vor schweren Verläufen mit Omikron geschützt sind. Hinzu kommt, dass Omikron zu leichteren Krankheitsverläufen führt. „Dieses globale Länder-Szenario schließt nicht aus, dass es Ausreiser nach oben und nach unten geben kann und damit auch regionale Überlastungen“, sagt Renz.
Die Studie ist vorab als Pre-Print erschienen. Sie wurde im Rahmen des «Nationalen Forschungsnetzwerk der Universitätsmedizin zu COVID-19» realisiert, das wiederum vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.