Neues MS-Medikament Cladribin in Europa zugelassen
Nach dem positiven Votum der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) im Juni hat die Europäische Kommission nun die Zulassung für das MS-Medikament Cladribin (Handelsname Mavenclad) erteilt. Die Zulassung umfasst alle 28 EU-Länder sowie Island, Liechtenstein und Norwegen.
MS-Patienten mit hoher Krankheitsaktivität steht mit Cladribin-Tabletten nun ein Medikament zur Verfügung, das eine orale Kurzzeitbehandlung von jeweils 20 Tagen erlaubt. Klinische Daten zeigen, dass das Mittel von Merck innerhalb eines Behandlungszeitraums von zwei Jahren nachweislich eine bis zu vier Jahre anhaltende klinische Wirkung zeigt. Danach werden Behinderungsprogression, jährliche Schubrate und Krankheitsaktivität gemäß MRT-Befund deutlich reduziert.
Weniger MS-Schübe über einen langen Zeitraum
Die Marktzulassung für Mavenclad basiert auf Daten von mehr als 2.700 Patienten, die in das klinische Studienprogramm eingeschlossen waren. Einige der Studienteilnehmer sind mehr als zehn Jahre nachbeobachtet worden. "Dies ist ein aufregender Moment, der die MS-Behandlung entscheidend verändern kann", sagte Gavin Giovannoni, Professor für Neurologie am Barts and The London School of Medicine and Dentistry der Queen Mary University of London anlässlich der EU-Zulassung am Freitag.
Cladribin ist eine sogenannte selektive Immunrekonstitutionstherapie (SIRT) mit einem vereinfachten Verabreichungskonzept: Die Patienten erhalten innerhalb von vier Jahren lediglich in zwei aufeinanderfolgenden Jahren über jeweils einen kurzen Zeitraum die Tabletten. Dabei können sie über einen längeren Zeitraum von der Behandlung profitieren, ohne kontinuierlich Medikamente einnehmen oder sich häufigen Kontrolluntersuchungen unterziehen zu müssen.
Cladribin zielt auf Lymphozyten ab
Allerdings muss vor und während der Behandlung mit Mavenclad die Lymphozytenzahl kontrolliert werden, da Cladribin selektiv auf Lymphozyten abzielt, die maßgeblich am Krankheitsgeschehen der schubförmigen MS (RMS) beteiligt sein sollen. Bei bestimmten Gruppen wie immunkompromittierten Patienten, HIV-Patienten, Schwangeren und stillenden Frauen ist Mavenclad darum kontraindiziert.
Zu den Nebenwirkungen des Wirkstoffs Cladribin zählen reduzierte Lymphozytenzahlen, Infektionen einschließlich Herpes zoster und ein mögliches erhöhtes Risiko für Krebs. In klinischen Studien entwickelten 20 bis 25 Prozent der Patienten eine transiente Lymphopenie (Mangel an Lymphozyten im Blut) vom Grad 3 oder 4.
Cladribin ist die vierte orale Therapie der MS in Deutschland. Weitere oral verfügbare Wirkstoffe sind Dimethylfumarat, Teriflunomid und Fingolimod. Andere MS-Therapien werden als Injektion gegeben und müssen von den Patienten meist mehrmals wöchentlich selbst gespritzt werden oder werden in größeren Abständen per Infusion beim Arzt verabreicht.