Neues Antibiotikum gegen resistente Keime entdeckt
Antibiotika galten lange Zeit als Wunderwaffe gegen bakterielle Infektionen. Viele Erreger haben sich jedoch an die Wirkstoffe trickreich angepasst – sie sind „resistent“ geworden. Die Folge ist: Mehr als 1,2 Millionen Menschen sterben Schätzungen zufolge jedes Jahr weltweit unmittelbar an einer Infektion mit einem Antibiotika-resistenten Erreger, weitere fünf Millionen im Zusammenhang damit. Infektionen durch resistente Keime verursachen mehr Tote als Aids und Malaria und gehören damit inzwischen zu den häufigsten Todesursachen weltweit.
Blutvergiftung, Blinddarm- oder Lungenentzündung: Nicht mehr durch Antibiotika beherrschbar
Zu Problemen mit Resistenzen kommt es Medizinern zufolge besonders häufig bei Infektionen der unteren Atemwege, also etwa einer Lungenentzündung. Besonders viele Menschen starben auch infolge von Blutvergiftungen und Blinddarmentzündungen. Die Infektion war aufgrund der Resistenz der Erreger mit Antibiotika einfach nicht mehr beherrschbar.
Resistente Erreger: Schon Routine-Eingriffe werden zur Gefahr
Als „stille Pandemie“ bezeichnet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die schleichende und rasant wachsende Zahl Antibiotika-resistenter Bakterien. Schon heute lassen sich nicht mehr alle Infektionen behandeln und sogar Routine-Eingriffe werden zur Gefahr. Die Krise wird durch den Umstand verschärft, dass in den letzten Jahrzehnten kaum neue Antibiotika auf den Markt gekommen sind. Der Pharma-Industrie sind sie nicht profitabel genug. Deswegen hat sie sich – entgegen anderslautender öffentlicher Beteuerungen – inzwischen fast völlig aus der Antibiotika-Forschung verabschiedet.
Antibiotika-resistente Keime: Dringend neue Wirkstoffe gesucht
Um den Vormarsch antibiotika-resistenter Keime aufzuhalten, braucht es dringend neue Wirkstoffe. Ein Lichtblick auf diesem Feld ist ein gemeinsames Forschungsprojekt von Wissenschaftlern der Universität Basel in der Schweiz und der Northeastern University in Boston/USA. Das internationale Forschungsteam hat nun mittels Computeranalyse ein neues Antibiotikum entdeckt und sein Wirkprinzip entschlüsselt. „Ihre Studie ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung neuer wirksamer Medikamente“, heißt es in einer Mitteilung der Universität Basel. Publiziert wurden die Ergebnisse der Studie jetzt im Fachmagazin „Nature Microbiology“.
Bakterien sind schlau: Doppelte Zellwand gegen Antibiotika
Das neue Antibiotikum mit dem Namen „Dynobactin“ haben die Forschenden durch ein computerbasiertes Screening entdeckt. Es tötet „gram-negative“ Bakterien: Das ist eine große Gruppe von Bakterien, die im Mikroskop im Zuge der sogenannten Gram-Färbung (nach ihrem Erfinder, dem dänischen Bakteriologen Hans Christian Gram) einen lila Farbton annehmen. Zu ihr gehören viele gefährliche und resistente Keime. „Antibiotika gegen diese Gruppe von Bakterien zu finden, ist alles andere als trivial“, sagt Sebastian Hiller, Forschungsteamleiter am Biozentrum der Universität Basel. „Sie sind durch ihre doppelte Membran gut geschützt und bieten daher nur wenig Angriffsfläche. Und in den Millionen Jahren ihrer Evolution haben sie zahlreiche Wege gefunden, Antibiotika unschädlich zu machen.“
Bakterien bekämpfen einander mit selbstgemachten Antibiotika
Erst im vergangenen Jahr hat Hillers Team das Wirkprinzip des kürzlich entdeckten Peptid-Antibiotikums Darobactin entschlüsselt. Diese Erkenntnisse flossen direkt in die Suche nach neuen Antibiotika ein. Dabei machten sich die Forscher unter anderem zu Nutze, dass viele Bakterien selbst antibiotisch wirkende Peptide herstellen, um sich gegenseitig zu bekämpfen. Und dass diese Peptide, im Gegensatz zu Naturstoffen, im Erbgut der Bakterien festgeschrieben sind.
Neues Antibiotikum: Test-Mäuse überstehen lebensgefährliche Blutvergiftung
„Die Gene für solche Peptid-Antibiotika besitzen ein klares Erkennungszeichen“, erklärt Co-Erstautor Seyed M. Modaresi. „Nach diesem Merkmal hat der Rechner das gesamte Erbgut von Bakterien, die solche Peptide produzieren, systematisch durchforstet. Dabei sind wir auf Dynobactin gestoßen.“ Dass es äußerst wirksam ist, konnten die Autoren in ihrer Studie zeigen. Mäuse mit einer lebensgefährlichen Blutvergiftung durch resistente Bakterien überstanden die schwere Infektion durch die Gabe von Dynobactin.
So wirkt das neue Antibiotikum „Dynobactin“
Durch eine Kombination verschiedener Methoden konnten die Forschenden die Struktur und die Wirkungsweise von Dynobactin ermitteln: Das Antibiotikum blockiert das bakterielle Membranprotein namens „BamA“, das beim Aufbau und der Erneuerung der äußeren Schutzhülle der Keime eine wichtige Rolle spielt. „Dynobactin steckt von außen wie ein Korken im BamA und hindert es daran, seine Aufgaben zu erfüllen“, sagt Modaresi. „Die Bakterien sterben.“
Teamleiter Hiller ist angesichts der Ergebnisse der Studie optimistischer, was die derzeit auf Sparflamme laufende Antiobiotika-Forschung betrifft, und sagt: Die computerbasierte Screening-Methode werde der Suche nach den dringend benötigten Antibiotika einen neuen Schub verleihen.