
Glioblastom: Neuer Zelltyp entdeckt, der das aggressive Wachstum fördert – Foto: © Adobe Stock/ryanking999
Auf den ersten Blick sehen sie aus wie gewöhnliche Fresszellen. Doch bei genauerer Analyse stellte sich heraus, dass es sich um einen völlig neuen Zelltyp unbekannten Ursprungs handelt. Und dieser neue Zelltyp namens TAMEP ist offenbar maßgeblich am aggressiven Wachstum des Glioblastoms beteiligt. Das berichtet das Forscherteam um Prof. Rainer Glaß am LMU Univeristätsklinikum München. Die Arbeit ist jetzt im Fachblatt „Cell Systems“ erschienen.
Tumormilieu von Glioblastomen untersucht
„Es kommt nicht oft vor, dass Forscher noch einen neuen Zelltyp entdecken“, sagt Rainer Glaß. Die neuen Erkenntnisse wolle man jetzt für die Entwicklung neuer Therapien nutzen. Auf den neuen Fund sind die Forscher gestoßen, als sie das Tumormilieu von Glioblastomen genauer untersuchten, das sogenannte Parenchym. In diesem Milieu tummeln sich auch Makrophagen, also „Fresszellen“ des Immunsystems, die den Tumor eigentlich bekämpfen sollen. Stattdessen sind sie so „umprogrammiert“, dass sie das Wachstum des Glioblastoms beschleunigen. Ein entscheidender Faktor für den Krebs, denn immerhin machen diese Makrophagen 30 Prozent der Zellmasse im Parenchym aus.
Sehen aus wie Makrophagen, sind aber keine
Rainer Glaß und seine Kollegen haben sich die scheinbaren Fresszellen nun genauer angeschaut und machten eine überraschende Entdeckung. Die Zellen lassen sich klar von Makrophagen abgrenzen, denn sie stammen nicht von den gleichen „myeoliden“ Stammzellen ab, sondern sind bisher noch unbekannten Ursprungs. „Diese TAMEP genannten Zellen sind stark am aggressiven Wachstum des Glioblastoms beteiligt. Sie fördern offenbar an entscheidender Stelle die Bildung neuer Blutgefäße, die der „gefräßige“ Tumor braucht, um seine immer neuen Zellen zu füttern und rasant zu wachsen“, berichtet Glaß.
In weiteren Experimenten schalteten die Forscher die Funktion der TAMEP aus. Dadurch wurde das Wachstum des Glioblastoms immerhin um 60 bis 70 Prozent gehemmt. Das zeigt: TAMEP haben ganz wichtige Aufgaben im Tumorwachstum. Darüber hinaus sind sie sonst nirgends im Gehirn zu finden, sondern eben nur im Parenchym.
Entdeckung mit therapeutischer Bedeutung
„Der Tumor schrumpfte zwar nicht vollständig“, sagt Rainer Glaß, „aber er kam über eine bestimmte Größe nicht mehr hinaus.“ Darum habe die Entdeckung eine therapeutische Bedeutung für die Therapie aggressiver Gehirntumore. „Wir brauchen da mehrere Klassen neuer Wirkstoffe, um diesen meist tödlichen Tumor effektiv zu bekämpfen“, erklärt Glaß. Darüber hinaus, so der Biologe, „wird diese Arbeit von besonderem Interesse für die neurowissenschaftliche Grundlagenforschung und die Krebsforschung sein.“
Die Forscher haben nach eigenen Angaben bereits begonnen, die Signalwege zu entschlüsseln, mit denen die TAMEP-Zellen ihre verhängnisvolle Funktion umsetzen. Das Ziel: Ansatzpunkte im molekularen Geschehen zu finden, an die Medikamente binden können, die die Zellen ausschalten – und damit potenziell das Tumorwachstum bremsen können.
Neue Therapien gegen das Glioblastom sind dringend geboten: Jeder zweite Patient stirbt 16 Monate nach der Diagnose an diesem aggressiven Hirntumor.