Neuer Therapieansatz für ALS konzentriert sich auf Autophagie
Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine unheilbare Erkrankung des zentralen Nervensystems. Bestimmte Nervenzellen, sogenannte Motoneuronen, die Muskeln und Bewegungen des Körpers steuern, sterben dabei ab. Mit Fortschreiten der ALS leiden die Patienten zunehmend an Muskelschwäche und Lähmungserscheinungen, die zu Sprach-, Bewegungs- und Schluckstörungen führen.
Nicht selten verläuft ALS nach der Diagnose innerhalb kürzester Zeit tödlich. Nur wenige Menschen können wie der Astrophysiker Steven Hawking Jahrzehnte mit der Krankheit leben.
FUS-Protein sorgt für Chaos
Warum es zum Absterben der speziellen für die Bewegung zuständigen Nervenzellen kommt, ist noch nicht vollständig verstanden. Erforscht ist jedoch, dass verändertes Verhalten bestimmter Proteine im direkten Zusammenhang mit ALS stehen. Eines dieser Proteine ist das RNA-bindende Protein FUS (FUsed in Sarcoma). Innerhalb der Zellen reguliert dieses Protein genetische Botenstoffe (RNA) und beeinflusst das Zusammenspiel verschiedener Proteine. Mutationen im FUS-Protein führen zu Ablagerungen und Verklumpung des FUS-Proteins im Zytoplasma, wodurch eine der aggressivsten ALS-Varianten entsteht.
Degeneration der Nervenzellen wird beschleunigt
Ein internationales Forscherteam unter deutscher Beteiligung konnte dieses Wissen nun ergänzen: Lara Marrone und Jared Sterneckert vom Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) der TU Dresden haben gemeinsam mit Kollegen herausgefunden, dass die Wechselwirkungen zwischen den RNA-bindenden Proteinen stärker zur Entstehung der ALS-Erkrankung beitragen, als bisher bekannt war.
„Wir konnten zeigen, dass die Interaktionen geschädigter FUS-Proteine mit anderen Eiweißen das Gleichgewicht der RNA-bindenden Proteine stören, was entscheidend zur Degeneration der Nervenzellen beiträgt“, erklärt Studienautorin Lara Marrone.
Doch nicht nur das: Die Forscher fanden auch einen Mechanismus, wie dieses Absterben aufgehalten werden kann. So bremste ein mit Medikamenten herbeigeführter Abbau von zelleigenen Proteinen (Autophagie) die pathologischen Prozesse, die ihre Ursache im fehlerhaft angehäuften FUS-Protein haben können. Durch die herbeigeführte Autophagie werden nicht nur die RNA-bindende Proteine gerettet, sondern auch das Absterben der Nervenzellen verringert. Diese Verbesserung wurde von den Wissenschaftlern in Zellkultur-Experimenten mit reprogrammierten Stammzellen(iPS-Zellen) von Patienten entwickelt und im Modellorganismus der Fruchtfliege bestätigt.
Autophagie als Lösung?
Lara Marrone: „Fehlerhaft angesammeltes FUS-Protein beeinträchtigt die Proteinabbaumaschine, so dass sich FUS im Zytoplasma der Zellen anhäuft. Dies löst einen Teufelskreis aus, der die zellulären Qualitätskontrollsysteme für Proteine, welche für die Aufrechterhaltung des Protein-Gleichgewichts verantwortlich sind, weiter behindert. Wir vermuteten deshalb, dass eine Verstärkung der Autophagie auch die Situation anderer RNA-bindenden Proteine verbessern könnte.“
Inwieweit eine verstärkte Autophagie einen möglichen Therapieansatz für ALS-Patienten darstellt, werden die Forscher der Sterneckert-Gruppe am CRTD nun untersuchen. Ein weiteres Ziel ihrer Forschung ist es, RNA-bindende Proteine in Patientenproben als Biomarker für die ALS-Erkrankung zu verwenden.
Die Arbeit wurde im renommierten Wissenschaftsmagazin „Acta Neuropathologica“ publiziert.