In Deutschland und den USA ist es längst praktizierte Realmedizin. HIV-Infizierte erhalten eine antiretrovirale Therapie (ART) oft auch dann, wenn das Immunsystem noch nicht erkennbar angegriffen ist. Nun hat auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihre Leitlinien geändert. In ihren neuesten Empfehlungen spricht sich die Gesundheitsbehörde der Vereinen Nationen klar für einen frühen Therapiebeginn, möglichst gleich nach der Diagnose aus. Obendrein empfiehlt die WHO, Menschen mit einem „wesentlich“ erhöhten HIV-Infektionsrisiko eine vorbeugende Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten als Pre-Expositions-Prophylaxe(PrEP) anzubieten.
WHO-Leitlinie weltweit wohl kaum umsetzbar
Die Deutsche Aidshilfe (DAH) wertet die Änderungen der WHO-Leitlinien vor allem als politisches Signal. Umzusetzen sei die Empfehlung jedoch kaum. Denn gerade für die ärmeren Länder sei eine flächendeckende Versorgung aller HIV-Infizierten nicht zu finanzieren, erklärte Armin Scharfberger, DAH-Referent für Medizin und Gesundheitspolitik. Daten aus dem vergangenen Jahr zeigen, dass von den 35 Millionen HIV-positiven Menschen weltweit nur rund 15 Millionen eine antiretrovirale Therapie erhielten.
Auch die von der WHO empfohlene HIV-Prophylaxe PrEP sieht Schafberger als kaum praktikabel. Einmal werde der für PrEp infrage kommende Personenkreis nicht klar definiert, zum anderen gebe es bürokratische Hürden. „In weiten Teilen der Welt - darunter auch Europa – sind die entsprechenden HIV-Medikamente für diese Form der Anwendung gar nicht zugelassen“, sagte er. Abzuwarten sei nun, inwieweit die Forderungen der WHO bei der Überarbeitung der HIV-Leitlinien auf europäische Ebene ihren Niederschlag finden.
Neue Leitlinien nach Aids-Konferenz in Barcelona
Im Anschluss an die Aids-Konferenz in Barcelona vom 21.-24. Oktober werden jeweils die nationalen Leitlinien formuliert. Bis Ende des Jahres soll auch von der Deutschen AIDS-Gesellschaft eine aktualisierte Fassung der deutschen Leitlinie vorliegen.
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